Kay Susan
Narr!« sagte er betroffen und besorgt. »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten vorsichtig sein.«
Er stieß mich in einen Sessel, zog mir den Pantoffel vom Fuß, der bereits wie ein Ballon rot anzuschwellen begann, und hielt die Spitze seines Messers in eine Kerzenflamme, ehe er einen Einschnitt in mein Fleisch machte. Als das Gift durch meine Adern zu strömen begann, verlor ich die Besinnung.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf seinem Diwan. Mein Fuß pochte teuflisch unter einer Schicht leinener Binden, und im Raum hing ein unangenehmer Brandgeruch. Mühsam drehte ich den Kopf und sah, wie Erik eine ungesund aussehende, ölige Flüssigkeit in eine Phiole goß.
Er kam zum Diwan, als er sah, daß ich mich bewegte, reichte mir einen Becher und stellte die Phiole auf den Tisch neben mir.
»Trinken Sie das«, sagte er kurz.
Ich schmeckte Kupfer, Honig und Essig – das vorgeschriebene Gegengift –, und mein Blick wanderte zu der Phiole.
»Was ist das?« fragte ich unbehaglich.
»Das Öl des Skorpions. Es lindert den Schmerz und läßt die Schwellung zurückgehen.«
Er setzte sich neben mir auf einen Rohrstuhl und legte zwei Finger auf meinen Puls.
»Sie werden es überleben«, sagte er mit grimmiger Befriedigung. »Wenn ich Ihnen das nächste Mal sage, Sie sollten vorsichtig sein, hören Sie vielleicht auf mich. Wie fühlen Sie sich?«
»Mir ist kalt und übel«, sagte ich verdrossen.
Er nickte, als hätte ich nur seine Erwartungen bestätigt.
»Das ist eine natürliche Reaktion auf den Biß eines Skorpions.«
»Und auf Mord«, sagte ich.
Erik seufzte. »Sie wissen, in Persien geht man mit Feinden nur auf eine Weise um. Sie haben selbst ein paar erledigt in Ihrer Zeit als Polizeichef, nicht wahr?«
»Verbrecher vielleicht . . . Staatsfeinde. Doch alle waren rechtskräftig verurteilt.«
Er zuckte die Achseln. »Tod ist Tod, wie er auch kommt, legal oder anders. Warum plagen Sie mich mit diesen sinnlosen Fragen? Daran, daß man ihm die Adern geöffnet hat, waren viele Meuchelmörder beteiligt.«
»Bezahlte Mörder interessieren mich nicht . . . hirnlose, seelenlose Tiere, die nichts anderes können. Aber Sie, Erik. Sie lieben alles Schöne auf dieser Welt. Sie sind auf so vielen Gebieten ein Genie. Warum stellen Sie sich durch ein so schändliches Verbrechen selbst außerhalb der Menschheit?«
Er nahm die Maske ab und drehte sich langsam zu mir um, damit ich ihn ansah.
»Dieses Gesicht, das mir alle Rechte eines Menschen genommen hat, befreit mich auch von allen Verpflichtungen gegenüber der menschlichen Spezies«, sagte er ruhig. »Meine Mutter hat mich gehaßt, mein Heimatdorf hat mich ausgestoßen, ich wurde wie ein Tier in einem Käfig ausgestellt, bis ein Messer mir den einzigen Weg zeigte, frei zu sein. Die Freuden der Liebe werden mir immer verwehrt sein. Aber ich bin jung, Nadir, ich habe dieselben Wünsche wie jeder normale Mann.«
Ich sah zu, wie er die Maske müde wieder anlegte.
»Ich habe den Großwesir nicht umgebracht«, fuhr er unerwartet fort. »Oh, um Gottes willen, ersparen Sie mir den erbärmlichen, erleichterten Blick! Ich kann Ihnen versichern, daß ich entschlossen war, daran teilzunehmen. Ich bin zu dem ausdrücklichen Zweck nach Kaschan gereist, ihm das Leben zu nehmen. Die meerghazabs hatten Befehl, seinen Hals nicht anzurühren. Der coup de grâce sollte mir überlassen bleiben.«
»Was ist passiert?« fragte ich.
Erik machte eine ungeduldige Geste.
»Ich sah den Skorpion und verschwendete ein paar kostbare Minuten, um ihn zu fangen. In meiner Abwesenheit haben die Narren seine Kraft falsch beurteilt und zu viele Adern geöffnet. Als ich kam, war er schon tot. Ich war so wütend. Sie können sich meinen Zorn und meine Enttäuschung nicht vorstellen. Ich haßte ihn! Ich haßte ihn, weil er weise war und geachtet wurde . . . und geliebt. Ich haßte ihn, weil er mich im Spiegel seiner Augen das verächtliche Wesen sehen ließ, das ich bin.«
Erik sank auf den Stuhl an meiner Seite und starrte zu Boden.
»Sprechen Sie weiter«, drängte ich ihn unfreundlich. »Sie sollten mir besser alles sagen.«
»Am liebsten hätte ich sie wegen ihres Ungehorsams alle umgebracht«, fuhr er dumpf fort, »aber sie waren zu zahlreich und vor Blutgier schon halb verrückt. Ich verließ hastig das Bad, ehe meine Wut mich verriet, und als ich durch den Garten zu meinem Pferd zurückeilte, kam die Prinzessin mit flatterndem Haar aus dem Palast gerannt. Es war dunkel. Sie sah mich erst, als wir
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