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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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Deckel des Sarkophags fiel von allein mit einem betäubenden Krachen zu Boden, das alle zusammenzucken ließ. Als es wieder still geworden war, streckte er eine Hand aus und richtete sie mit einer Geste so ehrfurchtgebietender Autorität auf den Sarg, daß alle den Atem anhielten. Dann stimmte er einen leisen, verlockenden Gesang an.
    Als der letzte Ton verklang, ertönte aus dem Sarg ein entsetzliches Ächzen, das uns alle erschauern ließ. Und dann, mit einem schwachen, unheimlichen Klappern, sah ich das Skelett langsam aufstehen und neben seinen Herrn treten, aufrecht und ohne Unterstützung.
    Mein Keuchen ging im allgemeinen Luftholen unter, als Erik das Skelett bei der Hand nahm und zu der Stelle führte, wo der neue Premierminister stand. Ich sah, daß der Mann sichtbar zitterte, als die schreckliche Erscheinung näherkam. Selbst der Schah beugte sich auf seinem Sessel vor, das Gesicht etwas bleicher als gewöhnlich, und schaute gebannt zu.
    Der knochige Besucher aus dem Grab hob dem Großwesir anklagend einen Finger entgegen; einen Augenblick lang herrschte angespannte Stille. Dann klatschte Erik abrupt in die Hände, und das Skelett sank als ungeordneter Knochenhaufen zu Boden.
    Erik griff nach dem Schädel und zog aus dessen Kinnlade den Siegelring des Premierministers hervor. Mit einer verächtlichen Geste warf er ihn dem entsetzten Mann vor die Füße.
    »Gewiß wird der Sohn Eurer Exzellenz mit seinen Besitztümern aus zweiter Hand sorgsamer umgehen, sagte er betont.
Einen Augenblick lang herrschte beklommenes Schweigen. Der ganze Hof starrte den jungen Schah an, um zu sehen, ob man es wagen durfte, Zustimmung zu einem erstaunlichen Kunststück mit so deutlich politischem Hintersinn zu zeigen. Es können nicht mehr als eine oder zwei Sekunden gewesen sein, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis der Schah sich vorbeugte und Erik eine große verschnürte Börse zuwarf.
Sofort brach der Hof in donnernden Applaus aus.
Erik verneigte sich. Der Schah blickte ihm nach, als Erik sich entfernte, und in den Augen, die auf dem mit einzigartiger Gunst Beschenkten ruhten, bemerkte ich eine gewisse Kälte.
Was den neuen Großwesir betrifft, so standen ihm, nachdem er sich von dem bestürzenden Erlebnis erholt hatte, Demütigung und Groll deutlich ins Gesicht geschrieben. Als ich ihn in ein Gespräch mit seinem Sohn und ihrer beider Gefolgsleute vertieft sah, überkam mich wachsendes Unbehagen.
Wein ist den Anhängern des Propheten verboten, doch unglücklicherweise wurde dieses Verbot bei Hof sehr häufig ignoriert. Ein Sklave brachte der flüsternden Gruppe ein Tablett mit Bechern und eine Karaffe arak, und ein paar Minuten später sah ich denselben Mann mit gebeugtem Knie Erik bedienen. Erik blieb eine Weile da, sprach mit niemandem, wie es seine Gewohnheit war, und betrachtete die restlichen Darbietungen des Abends mit zurückhaltender, spöttischer Miene. Ich wurde in ein langes, mühsames Gespräch mit dem Untersekretär und einem Gefolgsmann des Außenministers verwickelt. Als ich später Gelegenheit hatte, mich umzusehen, bemerkte ich, daß Erik verschwunden war. Das war an sich nicht ungewöhnlich, aber diesmal irritierte mich sein plötzliches Fehlen; ich entschuldigte mich hastig bei meinen Gesprächspartnern und eilte durch den Palast zu seinen Gemächern.
Die Räume waren leer, kein Diener ließ sich blicken.
Ich fand Erik allein in dem schön ausgestatteten Badezimmer, wo er mit schrecklicher Heftigkeit Blut erbrach.
»Gehen Sie weg«, keuchte er, »ich will Sie hier nicht . . . ich will niemanden . . . «
»Hören Sie auf, Ihre Kraft zu vergeuden«, befahl ich kurz. »Haben Sie eine Ahnung, was Sie geschluckt haben?«
»Nein«, murmelte er, »ich habe eure groben persischen Gifte nicht studiert . . . ich habe nicht die Angewohnheit, Leute zu vergiften. Das ist eine Todesform, die ich unästhetisch finde.«
»Gemahlenes Glas würde die innere Blutung erklären«, sagte ich grimmig. »Es gibt verschiedene Substanzen, mit denen es kombiniert worden sein könnte. Die meisten führen zu einem langsamen und qualvollen Tod.«
»Wie lange?« fragte er kurz.
»Wer Glück hat, stirbt binnen achtundvierzig Stunden, aber ich habe einen starken Mann gekannt, bei dem es zehn Tage dauerte.«
»Zehn Tage«, wiederholte er schwach. »Ich könnte also . . . nach Ashraf gehen?«
Erstaunt blickte ich auf ihn herab.
»In diesem Zustand würden Sie die Reise niemals überstehen.«
»Ich muß«, sagte er einfach. »Ich

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