Kay Susan
einmal in einem der seltenen vertraulichen Augenblicke. »Es ist der einzige Ort in Persien, an dem ich nicht davon träume, in einem Meer aus Blut zu versinken.«
An diesem Abend reichte ich ihm zum ersten Mal eine Opiumpfeife in der Hoffnung, deren beruhigende Wirkung werde ihn veranlassen, das Haschisch der Khanum aufzugeben. Am folgenden Morgen, noch immer in das Wohlgefühl der Droge gehüllt, sagte er, er würde gern den örtlichen Bazar besuchen. Er war vollkommen bei sich, doch seine Pupillen hatten sich zu vielsagenden Stecknadelköpfen zusammengezogen. Ich wußte, daß er sich niemals bei Tageslicht an einen von Menschen wimmelnden Ort hätte begeben wollen, wenn er im vollen Besitz seiner Geisteskräfte gewesen wäre.
Der Bazar war typisch für alle Bazare Persiens. Die meisten Einkäufer waren Männer, aber die Verkäufer waren hauptsächlich Frauen, in schwarze Tschadors gehüllt. Sie saßen neben ihren Waren, fast unter den Wagen, und überhörten die ständigen groben und bilderreichen Aufforderungen, dem vorbeiziehenden Verkehr aus dem Weg zu gehen.
Erik blieb an einem Stand mit buntbemalten Spielwaren stehen und wählte eine Reihe von Gegenständen aus, bei denen mir sofort klar war, wer der Empfänger sein sollte. Benommen auf einer Opiumwolke schwebend, kaufte er mit unnötiger Extravaganz nur ein, um ein blindes Kind zu erfreuen. Als die Frau zu seinen Füßen einen wirklich übertriebenen Preis nannte, war ich erstaunt, ihn ohne Widerrede in seine Börse greifen zu sehen.
Reza erwartete uns, als wir zurückkehrten; er saß in dem Rollstuhl, auf den er seit dem Winter angewiesen war. Er war jetzt fast völlig blind, aber er hörte gut, und ich sah, wie sein Gesicht beim ersten Ton der Stimme seines Idols aufleuchtete.
»Haben Sie mir eine Überraschung mitgebracht?« fragte er eifrig. »Ja . . . viele Überraschungen«, sagte Erik leise und rollte den Stuhl hinaus auf die sonnige Veranda jenseits des Gartenfensters. »Komm mit mir und schau.«
Komm mit mir und schau . . .
Niemand sonst sagte das mehr zu Reza. Nur Erik.
Und merkwürdigerweise klangen diese Worte bei ihm niemals
traurig oder absurd.
Ich hatte mich entschlossen, mich mit ihrer merkwürdigen
Freundschaft abzufinden, denn immer, wenn ich sie zusammen sah, ließ mich die Größe ihrer beider Tragödien mein eigenes eifersüchtiges Unbehagen vergessen. Ich versuchte auch zu vergessen, daß mein Sohn einen Mörder von zweifelhaftem Geisteszustand zum
Gegenstand seiner Verehrung gewählt hatte.
Doch eines Tages bekam ich einen Schrecken, der mich endlich
der Realität ins Auge sehen ließ.
Unerwartet ging ich hinaus in den Garten und traf meinen Sohn,
wie er eine hübsche Siamkatze streichelte, die ein Halsband aus
großen Diamanten trug. Über die Identität des Tieres gab es keinen
Zweifel. Es war unverkennbar die Glorie des Kaiserreiches, die dasaß,
ein Vermögen um ihren schlanken Hals geschlungen – die Glorie
des Reiches, der liebste und höchstgeschätzte Besitz des Schahs. »Sind Sie denn völlig verrückt geworden!« sagte ich wütend zu
Erik. »Wollen Sie, daß wir dieses wahnsinnigen Diebstahls wegen
alle sterben müssen?«
»Hören Sie auf zu schreien, Sie erschrecken das Kind. Ich werde
die Katze zurückgeben, ehe sie vermißt wird. Und wer wird dann
schon wissen, wie sie ihr hübsches Halsband verloren hat?« Ich sank auf den Rand des Brunnens, weil meine Beine mich nicht
mehr trugen.
»Ich weiß nicht, wie Sie sie ihren Wächtern entwendet haben«,
sagte ich schwach, »aber ich weiß, wenn dieses Halsband verlorengeht, sind Sie mit Sicherheit der erste, der verdächtigt wird. Wie
können Sie es wagen, hierherzukommen und meinen Sohn in dieses wahnsinnige Verbrechen zu verwickeln?«
Ich sah, wie Reza sich anspannte und sich enger an Eriks in einen
dunklen Umgang gehüllte Gestalt schmiegte.
»Vater«, flüsterte er zitternd, »bitte, sei nicht böse. Ich hatte ihn
gebeten, die Katze mitzubringen. Es war nur ein Scherz.« »Du dummes Kind!« versetzte ich. »Das ist ein Scherz, der uns
alle den Kopf kosten kann.«
Rezas Augen füllten sich mit Tränen, und unvermittelt warf er die
Arme um den maskierten Mann, der sich besorgt über ihn gebeugt
hatte.
»Ich möchte nicht mehr hierbleiben«, schluchzte er in die dämpfenden Falten des Umhangs, »ich möchte mit Ihnen gehen. Ich
möchte jetzt mit Ihnen gehen.«
Erik entzog sich hastig der Umklammerung des Kindes, und als
er sich abwandte, die Katze im Arm, winkte ich
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