Kay Susan
Andere können so friedlich und schön sein wie ein Sonnenuntergang. Ich bin ein Künstler, und auf meiner Palette befinden sich viele Farben. Lassen Sie mich ihm einen Regenbogen malen und Ihnen die Mittel geben, zu entscheiden, wo er endet.«
Ich ließ ihn diesen Regenbogen malen.
Zwei Monate lang drehte sich das Kaleidoskop, erzeugte wunderschöne Bilder. Mein Haus war voller Magie und Geheimnis. Es war eine Zeit der Wunder, begrenzt nur durch das rasche Herankriechen einer grausamen Wirklichkeit, die keine Magie fernhalten konnte.
Zwei Monate reichten tatsächlich aus, um mich all die schrecklichen Wegmarken sehen zu lassen, auf die Erik dunkel hingewiesen hatte. An dem Abend, an dem Reza plötzlich erstickt nach Luft rang, als ich ein Getränk an seine Lippen hielt, begriff ich plötzlich, welche Schrecken vor uns lagen.
Ich schickte einen Diener, um Erik von der Palastbaustelle zu holen.
Er kam sofort. Als er in seiner weißen Maske und seinem schwarzen Umhang vor mir stand, sah er wirklich aus wie der Todesengel der Khanum.
Er zog eine Phiole aus seinem Ärmel hervor, goß etwas von einer farblosen Flüssigkeit in ein kleines Glas Sorbet und reichte es mir.
»Es wird schnell gehen«, sagte er ruhig, »und er wird nichts spüren.«
Entsetzt ob seiner Endgültigkeit starrte ich auf den Trank.
»Nein«, sagte ich in plötzlicher Panik. »Das kann ich nicht. Lieber will ich der Natur ihren Lauf lassen.«
Er sah mich unverwandt an.
»Die Natur ist eine grausame und gefühllose Göttin. Wollen Sie Ihr Kind ihren gnadenlosen Händen überlassen?«
Ich bedeckte mein Gesicht und wich seinem stetigen Blick aus.
»Ich bin sein Vater . . . , wie können Sie wissen, wie können Sie verstehen, was es bedeutet, dem eigenen Kind das Leben zu nehmen?«
Er schwieg einen Moment; dann fühlte ich, daß er kurz die Hand auf meinen Arm legte.
»Dies ist nicht mehr Ihre Bürde«, sagte er leise. »Warten Sie hier auf mich!«
Wieder verspürte ich diese seltsame Lähmung meines Willens. Ich sah zu, wie er den Koran ergriff und ins Nebenzimmer ging.
Der Augenblick der Entscheidung war mir aus der Hand genommen worden, und jetzt war der letzte Laut, den mein Sohn hören würde, die Stimme eines Treulosen, eines Ungläubigen.
Mir schwindelte, als ich den Bann durchbrach, der mich festhielt, und in die Stille des angrenzenden Zimmers stürzte.
Erik wandte sich um, als ich den Raum betrat.
»Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet«, flüsterte ich heiser.
Als Antwort ertönte ein schwacher Seufzer, ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Rezas schlaffen, weißen Lippen.
Der Junge war schon tot, als Erik ihn in meine Arme legte.
11. Kapitel
Ich kehrte zurück an den Hof. Erik war bereits dort. Am Morgen nach Rezas Tod war ein bewaffneter Wachtrupp mit dem Befehl erschienen, ihn nach Teheran zu eskortieren, und ich glaube, er war erleichtert, mit ihnen zu gehen. Diesmal drehte er sich nicht nach dem Haus um, und ich wußte, er würde mein Anwesen freiwillig nie wieder betreten.
Kaum war ich im Ark eingetroffen, als ich den Befehl erhielt, dem Schah meine Aufwartung zu machen.
Ich fand ihn an einem Tisch mit Marmorplatte, wo er mit merkwürdiger Inbrunst die Pläne des neuen Palasts studierte. Er blickte auf und gab mir einen kurzen Wink, mich aus meinem Kniefall zu erheben.
»Haben Sie diese Pläne gesehen, Daroga?« fragte er unvermittelt.
Ich beeilte mich, ihm zu versichern, ich hätte sie nicht gesehen; Wissen ist in Persien eine sehr gefährliche Sache. Eriks Entwürfe für die Innenausstattung des Echogartens waren stets ein streng gehütetes Geheimnis gewesen. Welche Geschichten waren aus Mazenderan durchgesickert, um jetzt den Argwohn des Schahs zu erregen? Wußte er von den Dokumenten, die Erik meiner Obhut anvertraut hatte? Wußte er, daß ich bei den intensiven Beratungen mit dem Baumeister zugegen gewesen war?
Der Schah sog heftig an einer kalian und sah mich unverwandt mit Augen an, die mich immer an einen Falken erinnerten.
»Sagen Sie, Daroga«, begann er im Ton einer Konversation und blies Rauchschwaden in meine Richtung, »findet mein maskierter Freund sich für seine Dienste angemessen entlohnt, so außerordentlich, wie wir diese Dienste schätzen?«
»Eure Großzügigkeit war immer über jeden Zweifel erhaben, o Schatten Gottes«, sagte ich vorsichtig.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, versetzte der Schah in unerwarteter Gereiztheit. »Der Sultan, der Emir, auch sie wären großzügig zu
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