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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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die Worte vergeht. Ich kann die Quelle erreichen”, fuhr sie fort, “aber es kostet einen hohen Preis, und die Rückkehr ist schwierig.”
    “Aber wenn er keinen Namen hat, ist sein Name dort …”
    “Ja. Mein Ältester hat es begriffen und versucht seine Pflicht zu tun. Aber es hätte nicht funktioniert.”
    “Ihr könnt ihm nicht
Leoswuld
geben.”
    “Nein. Aber genau das war, glaube ich, was er wollte”, sagte die Lordgemahlin bitter. “Ich war jung und dumm. Ich habe geglaubt, mein Sohn solle das Gefäß sein und dass es mir
erlaubt
sei, mit ihm zu gehen. Es war mir erlaubt, zu glauben, ich hätte die nötige Kontrolle.”
    “Aber jetzt ist er es nicht mehr.”
    Der Lord des Barranihofes tauschte einen Blick mit seiner Gemahlin. “Nein”, sagte er schließlich. “Der Lord der Westmarsche wird ihn umbringen, und der Lord der grünen Auen erhält endlich die Belohnung derer, die versagen.”
    “Er wird seinen Bruder nicht umbringen.”
    “Er hat seine Pflicht, und er begreift sie jetzt vollkommen. Er wird seinen Bruder umbringen, oder er wird uns ins Verderben stürzen.”
    “Er kann
Leoswuld
ablehnen.”
    “Und auch das bringt uns Verderben”, sagte der Lord des Barranihofes. “Du begreifst viel. Zu viel. Er kann ablehnen, was ich ihm anbiete. Aber wenn er es ablehnt, gibt es keine neue Lordgemahlin, und seine Mutter kann nicht weitermachen. Es steht fest, dass es dann Krieg unter unserer Sippschaft in den äußeren Bezirken geben wird, selbst während sich unsere Macht über die Hohen Hallen immer weiter verringert. Man weiß nicht, wie schnell unsere Macht verfliegt, und auch der Preis dafür steht nirgends geschrieben. Wir als Volk werden vergehen.”
    “Es scheint”, sagte Kaylin mit bitterem Mitleid, “ihr seid schon dabei.” Und sie sah wieder zu dem Fenster. “Hat der Lord der Westmarsche gesehen, was sich im Herzen der Hohen Hallen befindet?”
    “Hat er.”
    “Dann wird er es nicht tun.”
    “Das wird er.”
    Aber sie kannte die Wahrheit. Schließlich trug sie seinen Namen, und er sprach in der Stille zu ihr und gab ihrer Sicherheit und Kraft. Sie sprach zu der Lordgemahlin. “Welchen Namen habt Ihr für Euren ältesten Sohn gewählt?”
    “Einen bitteren Namen”, lautete die Antwort. “Aber ich war jung. Und ich hatte eine Hoffnung auf die Zukunft, die ich jetzt nicht mehr habe.”
    “Welche Form hatte er?”
    Das Schweigen, das folgte, war so scharf, dass es schneiden konnte. “Was meinst du?”
    “Wie hat er sich
angefühlt
, als Ihr ihn berührt habt?”
    “Wie mein Sohn.”
    “Wie der Sohn, den Ihr Euch gewünscht habt?”
    “Damals war das noch das Gleiche.”
    Kaylin nickte. Sie versuchte, wie eine Barranimutter zu denken. Versagte dabei aber. “Ich werde mit dem Lord der Westmarsche sprechen”, sagte sie endlich. “Als seine
Kyuthe
.”

19. KAPITEL
    “K aylin”, sagte Severn leise, als sie den Raum mit seinem furchtbaren Mosaik und der Last seines Vermächtnisses verlassen hatten.
    Sie nickte. “Sag es nicht.”
    “Du gehst ein größeres Risiko ein, als dir vielleicht klar ist …”
    “Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben mit Barrani zusammengearbeitet”, sagte sie bitter zu ihm. “Ich verstehe es gut genug. Ich weiß
zu viel
. Er hätte genauso gut hier und jetzt ein Todesurteil aussprechen können. Aber er wird es nicht tun, weil ich vielleicht noch nützlich sein kann.” Sie hielt inne und drehte sich zu Severn um. “Überleg dir, mit was er jeden Tag seines Lebens leben musste, seit er … die Prüfung bestanden hat. Überleg dir, was er
weiß
, jedes Mal, wenn es jemand versucht. Glaubst du, ich weiß nicht, wie wenig seine Dankbarkeit letztendlich bedeuten kann? Und obwohl ich es weiß, werde ich trotzdem alles tun, was ich kann, um nützlich zu sein.”
    “Das hatte ich mir schon gedacht”, antwortete Severn mit dem Anflug eines Lächelns.
    “Weißt du auch, warum?”
    Er zuckte mit den Schultern.
    “Weil …” Und wieder hielt sie inne.
Weil ich nicht will, dass der Lord der Westmarsche das Gleiche durchleiden muss wie du. Ich will das nicht.
Und sie sah ihn deutlich vor sich, wie er Erde von – und in – ein Grab schaufelte. “Weil ich eben ich bin.”
    “Dann wirst du …”
    “Ich muss mit dem Lord der Westmarsche sprechen.” Sie sah sich in den Gängen um, die sie jetzt betreten hatten. “Denn ich bin mir sicher, der Lord des Barranihofes weiß, wenn ich es nicht tue.”
    Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinanderher,

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