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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Handbewegung an, dass sie zuerst gehen sollte. Sie gehorchte und versuchte Ruhe zu finden, als sei sie ein Ort oder ein Ding, das man festhalten konnte.
    Fast hätte sie es sogar gefunden.
    Aber hinter den schönen Tönen der Glocken hörte sie ein vertrautes Bellen.
    Sie drehte sich zu Severn um. Er war erstarrt. Genau wie alle Barrani. “Wilde”, sagte sie grimmig.
    “Das können wir nur hoffen”, antwortete Severn.
    Es war ein verdammt schlechter Tag, wenn man anfing zu hoffen, auf Wilde zu treffen.
    Die Wachen griffen zu ihren Schwertern, zogen sie allerdings nicht. Sie fragte sich, ob sie auch Lords waren. Beschloss, dass sie welche sein mussten, als sie höflich darauf hinwiesen, dass Samaran und Andellen in den Gemächern zu verbleiben hatten.
    “Sie folgen dem Ausgestoßenen”, sagte eine der Wachen, als Kaylin anfing, Einspruch zu erheben. “Sie gehören nicht mehr dem Hof der Barrani an.”
    “Ich trage sein verdammtes Zeichen und gehe trotzdem mit.”
    “Ja”, antwortete er. Wenn ein Wort eine Ohrfeige sein konnte, war es dieses. Aber er hatte eindeutig seine Befehle.
    Severns Atmung veränderte sich, wenn auch kaum merklich. Es reichte aber aus, um Kaylin zu verraten, dass er erwartet hatte, Andellen wenigstens für den Weg zwischen diesen Gemächern und dem Kreis des Barranihofes neben sich zu haben.
    Er ging los, als die Wachen sich bewegten. Er dachte nach.
    Sie ging neben ihm her und hoffte, er könne besser denken als sie. Der Klang des Heulens brachte sie aus dem Konzept, weil sie wusste, was kommen würde, wenn man es endlich von der Leine ließ.
    Sie durchquerten zwei Hallen, die von Barraniwachen gesäumt wurden – zwei Männer vorne und zwei hinten. Sie wusste, wohin sie der Weg schließlich führen würde, und wusste auch, dass ihr am Ziel des Weges kein Entkommen mehr gestattet war. Jedenfalls nicht auf eine Art, die sie wirklich wollte.
    Als die Wachen stehen blieben, rempelte sie allerdings mit ihnen zusammen. Es war unangenehm, mehr als unangenehm. Sie taten so, als würden sie es nicht merken, aber dieser Fassade war die Verachtung mehr als deutlich anzusehen. Wenn auch nicht lange.
    Vor ihnen stand, in ein weißes Kleid gehüllt, eine Barrani. Sie war groß und schlank, wie alle Barrani, und sie war blasser als der helle Mond. Ihre Augen waren grün, aber dunkel und hart, sie schien wie Fleisch gewordenes Eis.
    Sie verbeugten sich vor ihr.
    Severn folgte ihrem Beispiel. Kaylin starrte mit offenem Mund auf die Frau. Sie war wunderschön. Wunderschön und geplagt.
    “Lady”, sagte einer der Wachmänner, als er sich erhob, “seid Ihr ohne Begleitung?”
    “Ich brauche sie in den Hohen Hallen kaum”, war ihre Antwort. “Und anscheinend brauchen zwei Sterbliche mehr.”
    “Der Lord der Westmarsche hat befohlen …”
    Sie hob eine Hand. “Die Glocken haben begonnen zu läuten”, sagte sie düster. “Sprecht nicht von den Befehlen meines Bruders, sonst stehen wir bis zum Ende ihres Liedes hier.”
    Ihr Bruder. Kaylin stand dem dritten Kind des Lords des Barranihofes gegenüber. Sie hätte es wissen sollen, ihr Haar war ebenso blass und lang wie das ihrer Mutter.
    “Ich wünsche ein Gespräch”, sagte sie leise, “mit der
Kyuthe
meines Bruders.”
    Für einen Augenblick schwiegen alle.
    “Und wenn Ihr nicht selbst zu spät in den Kreis des Hofes treten wollt, werdet Ihr es mir nicht versagen. Sie
ist
ein Lord dieses Hofes. Und es ist ihr gestattet, sich frei in den Hohen Hallen zu bewegen.”
    Kaylin hatte das Wort “frei” noch nie in diesem Zusammenhang gehört. Und hoffte wirklich, es nie wieder zu tun.
    “Lady”, setzte die Wache wieder an. Sie trat auf ihn zu, und er verstummte.
    “Ich werde ihr kein Leid zufügen”, sagte die kalte Barrani. “Sie ist
Kyuthe
meiner Sippe.
Geht
.”
    Sie wechselten einen kurzen Blick, und selbst der Unterschied zwischen ihren Rassen konnte die Bedeutung nicht verschleiern. Der Drache vor einem war eine größere Bedrohung als der Drache in der Ferne.
    Sie gingen und nahmen Severn mit. Kaylin war fast froh, sie gehen zu sehen. Weil Severn nicht gezwungen worden war, in den Hohen Hallen einen Kampf zu beginnen.
    “Man nennt mich ‘die Lady’“, sagte die Barrani leise, als sich alle zurückgezogen hatten.
    “Nicht von irgendwas?”
    “Der Barrani”, antwortete sie. Ihre Augen waren jetzt grün, und sie zögerte, ehe sie lächelte. Es veränderte ihr ganzes Gesicht. In dem Augenblick sah sie aus wie der Lord der

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