Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
Vom Netzwerk:
gewusst – auf die Brücke zu, die über den Ablayne führte. Sie klammerte sich eher an ihm fest, als dass sie ihm folgte. Sie wollte reden. Über irgendwas. Über die Arbeit, weil das sicheres Gebiet war. Über die Hohen Hallen, denn auch das war auf seine Art sicher.
    Aber es gelang ihr nicht ganz, die Worte über ihre Lippen zu pressen. Geplapper schien hier fehl am Platze. Der Tag schien auch falsch dafür. Sie hatte sieben Jahre lang in der oberen Stadt gelebt, und die Bedeutung der Nacht hatte sich langsam verändert. Es war eine Zeit zum Schlafen – und ab und zu einen Notruf von der Gilde der Hebammen.
    Doch fühlte sie, als sie über die erste Planke der Brücke trat, dass es Nacht sein sollte. In den Straßen sollte die Bedrohung der Wilden liegen, und sie sollten leer sein. Es war noch nicht nahe genug an den Abendstunden, sie waren noch dicht bevölkert.
    Neugierige Leute. Aber Neugier hatte in den Kolonien einen anderen Klang. Sie wurden beobachtet, aber man näherte sich ihnen nicht. Die gestickten Falken, die auf ihren Übermänteln glitzerten, fingen das Licht ein und sprachen vom Fliegen. Und vom Jagen. Von einer Freiheit, die den Männern und Frauen, die hier arbeiteten, nicht gegeben war.
    Sie wollte ihn fragen, wohin sie gingen. Aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sie darauf keine Antwort bekommen würde. Sie starrte stattdessen die Straße hinab, die sie mit der Leichtigkeit langer Übung entlangschritt, als würde sie ihr gehören. Als bedeuteten die Gesetze des Drachenkaisers sogar hier etwas.
    Und das taten sie auch – aber nur für Kaylin. Severn hatte deutlich gemacht, dass er, egal ob Wolf oder Falke, immer noch Severn war. Diese Wahrheit sprach sie ihm nicht ab, sie hatte deswegen überlebt.
    Die Straßen wurden schmaler. Die Gebäude wurden älter und weniger prächtig, instand gehalten wurden sie nur sporadisch und ohne den richtigen Baustoff. Türen hingen schief in Rahmen, die verwittert und alt waren. Fenster – mit Läden oder ohne – klafften über ihnen wie offene Münder. Es gab Glas in den Kolonien, aber es war selten. Und hier war es nicht zu finden.
    Sie erinnerte sich an diese Straße. Es gab eine Taverne, und die Vier Ecken waren nur einige Blocks entfernt. Sie fragte sich, ob er dorthin wollte, und folgte ihm schweigend. Sie hielt immer noch seinen Ärmel fest, als wäre er ein Talisman, der nur zufällig am Rest von ihm befestigt war.
    “Severn?”
    Er schüttelte seinen Kopf. Sie gingen an Vier Ecken vorbei, und die Aufmerksamkeit, die sie beanspruchten, verlangsamte sie für einen Augenblick. Ein oder zwei der älteren Leute schienen sie fast zu erkennen. Aber falls sie es taten, waren die Rüstung und die Waffen, die sie trugen, wie eine bewegliche Wand, ein Zeichen, dass andere sich besser fernhielten. In den Kolonien achtete man normalerweise auf solche Zeichen. Waffen waren die Kraft des Gesetzes, der hier am meisten Respekt gezollt wurde.
    Doch er ging einfach weiter, an den Ecken vorbei, an Gebäuden vorbei, die die Zeit genug beschädigt hatte, um sie unbewohnbar zu machen. Nicht einmal die verzweifelten Waisen, die Kaylin und Severn gewesen waren, würden noch darin leben. “Du gehst … du willst zum Wachturm.”
    Er nickte.
    “Da haben wir Catti gefunden.”
    Und nickte wieder.
    So viel Steifheit lag in dieser Geste.
    “Aber wie hast du …”
    Er hob eine Hand, und sie verstummte. So viele Geheimnisse, dachte sie. Sie hatten nie irgendwelche Geheimnisse gehabt, die es sich zu wahren lohnte, als sie hier gelebt hatte. Nicht voreinander. Nicht mehr als ein Mal.
    Ein Mal? War genug gewesen.
    Ihre Finger waren erstarrt, obwohl es nicht kalt war. Sie konnte, während sie sich in der Gegenwart bewegte, an die Vergangenheit denken und sich nicht aufregen. Stattdessen wurde sie wie betäubt. Aber Taubheit und Angst waren nicht das Gleiche.
    Die Hohen Hallen hatten sie geprüft. Aber auch Severn war geprüft worden.
    Er gelangte an die Tore, an das schwarze, lückenhafte Metall eines Zaunes. Sie öffneten sich nach innen und quietschten dabei, und sie sah das Loch in der geschwungenen Wand des Wachturmes. Sie fragte sich, wofür er benutzt worden war, als man ihn erbaut hatte. Er war anders als die Burg und die Hohen Hallen. Rund und mehrere Stockwerke hoch, und er endete in einem Dach, das wahrscheinlich nicht einmal Sonnenlicht abhalten konnte. Sie war sich sicher, dass dort oben Vögel nisteten.
    Aber keine Falken.
    Sie wurde langsamer, als

Weitere Kostenlose Bücher