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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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zwischen den Zeilen lesen – er hatte keine Freunde.
    “Anteela, überlegt Euch etwas Besseres. Eure
Kyuthe
kann bei der ihr gestellten Aufgabe sonst keinen Erfolg haben.”
    Aber Teela sagte nichts mehr.
    Lord der Westmarsche
. Kaylin versuchte es. Für einen Namen, fand sie, mangelte es ihm an Etlichem. Er musste das Gleiche empfinden. Es gab überhaupt keine Antwort. Da war nichts.
    Kaylin schluckte Luft und öffnete die Augen. Dann schloss sie sie rasch wieder.
    Aber sie war ein Falke, und das Erste, was man ihr in den Kopf gehämmert hatte – in Marcus’ leontinischem Grollen –, war die oberste Pflicht eines Falken: Beobachte. Was man hinter geschlossenen Augen beobachten konnte, war ziemlich genau nichts. Jedenfalls nichts Sinnvolles. Es gab Situationen, in denen das ein Segen war. Zum Beispiel zu jeder Zeit eines Tages, der vor Mittag anfing.
    Aber nicht jetzt und nicht hier. Hier war Kaylin ein Falke, und hier breitete sie ihre bildlichen Schwingen aus und öffnete ihre klaren Augen.
    Sie stand auf einem mit Gras bewachsenen Abhang, der abrupt endete, wo das Grün sich ihrem Blick entzog. Über ihr war der Himmel so blau, wie Barrani-Augen es niemals werden konnten. Er war hell erleuchtet, und selbst wenn man die Sonne nicht sehen konnte, ließ sie einen ihre Anwesenheit spüren. Unter der grasüberwachsenen Klippe gab es Felder, die sich ins Endlose erstreckten. Die Sonne hatte die gebogenen Halme verdorren lassen, aber ob es sich um Wildgräser oder eine Ernte handelte, konnte sie nicht sagen. Sie war nie ein guter Farmer gewesen.
    Auf den Feldern gab es nichts, was nicht Wurzeln schlug.
    Sie drehte sich um, als eine Brise die Halme zu ihr neigte, und blickte in die Richtung, die sie ihr wiesen. Dort sah sie den Wald. Es war die Art Wald, die einen eigenen Name hatte: der Wald, nicht ein Wald. Die Bäume, die sich vom Boden in den Himmel erstreckten, hätten ihr den Hals verrenkt, wenn sie versuchte, ihre Spitzen zu erkennen.
    Aber sie war nicht wirklich dort.
    Erinnere mich daran, sagte sie sich selbst, nie wieder einen Barrani zu heilen.
    Dann fragte sie sich, was sie gesehen hätte, wenn Tiamaris nicht genug Verstand gehabt hätte, ihr zu verbieten, einen Drachen zu heilen. Sie wollte es niemals herausfinden.
    In diesem Wald gab es keine Vögel. Es gab keine Insekten, keine Eichhörnchen, nichts, das von Baum zu Baum sprang. Es war ein reiner Ort, ein heiliger Ort, und Leben kam nicht an Orte, an denen es nicht erwünscht war.
    Das hätte ein Hinweis sein sollen.
    Doch jetzt gab es nur noch zwei Wege: die Klippen hinab oder in die Bäume hinein. Die Klippe sah nicht sehr vielversprechend aus.
    Sie wählte stattdessen den Wald. Es war nicht die Art Wald, in der es einen Weg gab, hier gab es für niemanden einen Weg.
    Es war nur ein Haufen sehr, sehr alter Bäume. Und Schatten, die sie warfen.
In Ordnung, Lord der Westmarsche, du solltest lieber irgendwo da drinnen sein.
    Sie machte sich auf den Weg – wie ein trotzendes Kind mit schweren, stapfenden Schritten.
    An einigen Stellen ließen die Schatten Licht zu, durch die Ecken gefleckter Blätter zeichnete sich der Umriss dessen ab, was vor Kaylin auf dem Boden lag. Sie gewöhnte sich daran, weil die Schatten überall waren. Auch sie ging überallhin und berührte hier und da einen Baum, nur um die Borke zu spüren.
    Wenn die Zeit überhaupt verging, dann langsam.
    Ihre Füße – immer noch in abgestoßenen, groben Stiefeln – zerbrachen keinen einzigen Zweig. Sie hinterließen überhaupt keine Spuren auf dem, was feuchte Erde zu sein schien. Fruchtbare Erde und alt, und ihr Duft vermischte sich mit der Borke und dem Unterholz. Sie könnte hier etwas pflanzen und ihm beim Wachsen zusehen.
    Sie runzelte die Stirn. Wenigstens glaubte sie das. Bis auf den Wald selbst schien alles – Kaylin eingeschlossen – ein wenig unwirklich zu sein.
    Sie fasste in ihre Tasche und blieb stehen.
    Ihre Arme waren nackt, und im seltsamen Licht des Waldes konnte sie die Zeichen sehen, die ihr ganzes Leben bestimmt hatten, jede ihrer Handlungen, jede ihrer Untätigkeiten, jeden Preis, den sie gezahlt hatte.
    Sie streckte ihre Arme aus. Die Zeichen waren dunkel und makellos. Es war eine Weile her, seit sie sich diese Male auf etwas anderem als den Spiegelflächen des Archivs angesehen hatte. Sie legte ihre Hand darauf und erstarrte. Sie lagen erhaben auf ihrer Haut. Sie hatten vorher noch nie eine Oberflächenstruktur gehabt.
    Sie hob eine Hand und berührte ihren

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