Kaylin und das Geheimnis des Turms
immer noch knapp, war eine kleine Erlösung.
Die sie dringend brauchte. Sie zitterte. Ballte die Hände zu Fäusten, damit es nicht zu offensichtlich war. Dies war eine alte Angewohnheit, und wie alle Gewohnheiten war es schwer, sie abzulegen. Sie beobachtete ihn.
Und er sie. Und dann, mit einem kleinen Lächeln, das die Farbe seiner Augen überhaupt nicht veränderte, löste er den Kragen seines Umhangs etwas und nahm eine Kette von seinem Hals. Sie war aus Gold, schwer und viel zu lang. Ihre Glieder bildeten eher ein Seil als eine Kette. “Sie gehört mir”, sagte er ernsthaft, “und ich schätze sie. Ich habe sie von einem längst verstorbenen Magier erhalten. Er hat mir viel beigebracht. Trage sie, bis ich dir einen Ersatz gebe.” Er stand mit der Kette in seinen Händen da und wartete.
Sie starrte ihn an.
Seine Miene wurde verärgert. “Komm her”, befahl er ihr. “Die Jugend hat überhaupt keinen Sinn mehr für das Zeremoniell.”
Sie tat, wie ihr geheißen, zum Teil, weil der Befehl selbst den Klang und die Tiefe der Drachen hatte, und zum Teil, weil der Kommentar danach die Art von Vortrag ankündigte, vor dem sie normalerweise in Bestgeschwindigkeit davonrannte. Er legte ihr die Kette über den Kopf und um den Hals. Das Medaillon hing an ihrer Hüfte, und nach einem Augenblick zog er die Kette höher und machte einen Knoten hinein. Für einen Knoten war es eine ganz miese Leistung. “Das wird gehen”, sagte er zu ihr.
“Ähmmm.”
“Ja?”
“Da ist ein Drache drauf.”
“Ah. Das muss ich übersehen haben”, antwortete er ironisch, “wie gesagt, es ist mein persönliches Medaillon.”
“Aber ich bin kein …”
“Nein. Das bist du nicht. Aber es ist viel älter als du, und es wird überall erkannt werden, wohin du auch gehst.”
Es war warm. Der Knoten, den er in die Kette gemacht hatte, hob das Medaillon, bis es gerade unter ihrer Brust hing. Sie fühlte es wie ein zweites Herz. Sie streckte ihre Hand danach aus, hob es an, betrachtete es.
“Es ist keine Münze, und ich möchte dir raten, nicht hineinzubeißen, um dich von seiner metallischen Zusammensetzung zu überzeugen. Der Geschmack würde dir nicht gefallen.”
“Würde ich meine Zähne behalten?”
“Fraglich.” Er runzelte die Stirn. Orange war immer noch die bestimmende Farbe seiner Augen, aber langsam konnte man auch wieder das Gold in ihnen erahnen. “Lass nicht zu, dass andere es anfassen”, riet er ihr leise. “Selbst wenn du ihnen vertraust. Auf Vertrauen kommt es bei diesem Medaillon nicht an.”
“Auf was dann?”
“Feuer”, flüsterte er. Ein Nachhall von Rot.
“Was, wenn ich nicht …”
Er hob eine Hand. “Deine Magie ist seltsam”, sagte er kaum hörbar, “und wild. Aber sie kommt, wenn du sie rufst.”
“Das ist sie die anderen Male nie.”
“Damals brauchtest du sie nicht. In deinem Ruf lag keine Dringlichkeit, es ging um kein Leben.”
“Dann habt Ihr … die Hände … die Augen …”
“Nein, Kaylin. Die waren – und sind – wirklich. Ich habe allerdings keinen meiner früheren Schüler zu ihrer Macht nötigen müssen.”
“Aber Ihr …”
Er hob eine Hand. “Ich habe ihnen auch nicht”, fuhr er mit ernsterer Stimme fort, “erlaubt, mich mit Fragen zu belästigen. Noch dazu unüberlegten Fragen. Vielleicht beantworte ich noch eine einzige.”
“Warum habt Ihr den Kristall mitgebracht?”
“Du bist ein Falke, Kind.” Sie hielt sich im Zaum. Selbst von einem uralten Drachen stieß ihr das Wort noch sauer auf. “Du kannst sehen. Der Kristall ist ein Gedächtniskristall. Er wird verzeichnen, was bei diesem Treffen wahrhaftig geschehen ist. Und bei dieser Lektion.”
“Ihr seid ein Magier. Ihr könntet ihn manipulieren.”
Er runzelte die Stirn. “Das war keine Frage.”
“Ich könnte es umformulieren …”
“Nicht. Es ist ein kaiserlicher Kristall.” Er legte die Stirn in Falten. “Kaylin, du
wirst
aufpassen, wenn du noch einmal ein Klassenzimmer betreten solltest. Ich verschwende hier Zeit, und es ist deine Zeit, auch wenn du diese Tatsache noch nicht begreifst. Ein kaiserlicher Kristall kann nicht von geringerer Magie manipuliert werden. Von bedeutenderer bleibt ein Abdruck zurück. Dieses Zeichen kann von jedem gesehen und gefühlt werden, der den Kristall in Händen hält. Und jetzt muss ich dich verlassen. Wir sehen uns bald wieder.”
Sie schüttelte den Kopf. Sie musste. In ihm wirbelten die Gedanken durcheinander. “Hatte ich schon erwähnt, dass
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