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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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dachte – nur für einen Augenblick –, er wolle sie ohrfeigen. Sie zuckte zusammen, dafür konnte sie nichts. Aber sie bewegte sich nicht vom Fleck.
    “Mutiges Kind, dich in diesen Unterschlupf zu wagen”, sagte er leise. “Und dumm, aber so bist du. Ihr seid ewig jung. Selbst das Alter erleichtert euch nicht von dieser Last. Der Lord der grünen Auen hat sich für dich verbürgt. Ist das nicht merkwürdig?”
    Sie antworte nicht. Es gab nichts, was sie diesem Mann sagen konnte.
    “Du bist ihm noch nicht begegnet. Sonst wüsstest du es. Aber du trägst das Symbol meines jüngsten Sohnes.” Seine Augen schmälerten sich kaum merklich. “Und du trägst außerdem das Zeichen des kaiserlichen Ordens der Magier.” Seine Hand fiel von ihrem Kinn ab.
    Sie riss die Augen vor Schreck weit auf, als er die Hand nach dem Medaillon ausstreckte. “Nicht anfassen …”
    Sein Lächeln war kühl, aber echt. Er zögerte nicht, aber er hielt eine Minute inne. “Ich kenne den Namen des Feuers”, flüsterte er. “Und ich sehe ihn dort geschrieben. Ich werde mir die Hand nicht verbrennen.” Dann hob er das Medaillon an, das Lord Sanabalis ihr um den Hals gehängt hatte.
    Sein Blick änderte sich nicht. Kein Farbwechsel, keine Veränderung seiner perfekten Züge verunstalteten ihn. Aber er senkte es langsam wieder. “Sanabalis”, sprach er zu sich selbst. Er sah Kaylin an. “Wir sind uns begegnet, er und ich, als wir beide noch jung waren und die Welt uns riesig schien. Jetzt, fürchte ich, ist sie für uns beide klein geworden. Doch nein, du bist sterblich, und wenn ich mir ein Urteil über Sterblichkeit erlauben kann, halten deine Artgenossen dich für jung.”
    “Ich bin erwachsen”, sagte sie mit fester Stimme.
    Sein Lächeln war nachsichtig. “Tatsächlich, das musst du sein, denn du bist hier. Kein Kind wird ‘Kyuthe’ genannt. Nicht einmal unter den Barrani, so selten unsere Kinder auch sind. Sie haben allerdings auch weniger den Hang, die Älteren zu unterbrechen.” Es war eine Warnung. Sanft ausgesprochen, doch unverkennbar. “Du bist von einem gezeichnet, der einst von meiner Sippe war. Du bist ‘Kyuthe’ genannt worden, und hast auf deine Weise einen Lord der Barrani ‘Kyuthe’ genannt. Du trägst das Medaillon eines uralten Drachenlords. Und auch wenn du ihn jetzt nicht trägst, so trägst du doch den Falken der Lords der Gesetze. Du dienst dem Drachenkaiser in den Straßen seiner Stadt. Und da ist noch mehr”, sagte er sanft. Zu sanft. “Ich möchte deine Geschichte hören, Kind. Sie wird uns die Zeit vertreiben, und ich glaube, ich werde vieles daran seltsam finden, ich, der selten von etwas überrascht wird.”
    Kaylin blickte zu Teela, die ihr nicht in die Augen sah.
    Das also war die Falle, vor der sie Angst gehabt hatte, nur hatte sie etwas wie explodierende Türen, Dolche und Gift oder Magie erwartet. Ihr war bewusst, dass die Stille des Hofes angewachsen war, während sie sich der Inspektion des Lords unterzog, und es überraschte sie nicht, zu sehen, dass viele der Barrani näher gekommen waren.
    Kaylin war für Gleichberechtigung in Glaubensfragen; sie vergaß es regelmäßig, irgendeinem von Elantras Göttern ihre Ehrerbietung zu erweisen, auch wenn sie einem Priester im Vorbeigehen zunickte. Sie hatte allerdings die sehr menschliche Angewohnheit, zu beten und irgendwie zu hoffen, dass sie noch nicht alle Gottheiten beleidigt hatte und eine von ihnen sie erhörte.
    Auch dies war ein Augenblick zum Beten.
    Und zu ihrem Erstaunen trat Andellen vor, ohne dass es ihm gestattet worden war. Er ging nicht an ihr vorbei. Tatsächlich stellte er sich auch nicht neben sie, sondern hinter sie. Und er
kniete sich hin
.
    Die Miene des Kastenlords veränderte sich nicht, aber er schien in sich zu gehen, als sein Blick wanderte, und die Fassade der Freundlichkeit wich aus seinem Gesicht. “Verbannter”, sagte er mit kalter Stimme.
    Andellen erhob sich nicht.
    “Du wirst hier geduldet. Du, der nicht unter den Bogen hätte hindurchgehen dürfen. Hätte ich meine Gastfreundschaft nicht der
Erenne
deines Lords erwiesen, wärest du jetzt tot. Hast du dich entschlossen, den Ausgestoßenen zu verleugnen? Bist du hergekommen, um dem Lord des Barranihofes erneut deine Ergebenheit zu schwören?”
    “Nein, High Lord.” Er blickte nicht auf. Sein Haar rahmte und verbarg sein Gesicht.
    “Dann kannst du dich in meinen Hallen nicht frei bewegen. Du wirst der Sterblichen dienen, solange sie hier verweilt.

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