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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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hätte erzwingen können. Sie musste es nicht verstehen; es war sein Name, aber es war auch ihr eigener.
    “Diese Zeichen sind von niemandem geschrieben”, wendete sie ein.
    “Jemand hat es getan.”
    “Wer?”
    “Sagen wir, die Alten … vielleicht stimmt es. Oder sagen wir nichts. Aber Zeit, Kaylin, wird dich zerstören, auf die eine oder andere Art. Wähle.”
    Wahl. Sie biss sich auf die Lippe und nickte.
    Sie trat mit ausgestreckten Armen auf den Spiegel zu und berührte die Oberfläche mit ihren Fingerspitzen. Sie starrte die Symbole an, die Teil ihrer Haut waren, und lockte sie hervor, ohne zu sprechen, ohne es noch zu versuchen. Sie tanzten dort, gefangen und stetig alternd, und ließen sich von ihr einfangen.
    Tiamaris sagte etwas. Sie verstand ihn nicht.
    Aber das musste sie auch nicht.
    Sie konnte sehen, wie die Schatten von ihrer Haut in den Spiegel glitten, Teil von ihr, und doch kein Teil von ihr. Konnte sehen, wie sie sich suchend und strauchelnd durch die fremde Landschaft kämpften, flach und kalt. Konnte sie sehen, endlich, wie sie sich senkten, ausbreiteten und tiefer wurden, sich sammelten und das Licht auslöschten, bis nur noch sie selbst übrig blieben.
    Sie konnte ihren Hunger fast spüren, sie konnte sicherlich ihre Kälte spüren, ihre Suche nach Wärme. Etwas Scharfes in ihr bewegte sich, fast wie Mitleid. Bis auf die Wut, die bittere, bittere Wut, die folgte.
    “Dort”, sagte sie leise, und nur für den Zeitraum dieses Wortes hätte sie ihre Muttersprache sprechen können, Barrani oder Leontinisch, sie wären ihr alle fremd gewesen.
    “Kaylin.” Severns Stimme. Severn, kein Barrani, kein Drache. Sie drehte sich zu ihm um. Sah seinen Gesichtsausdruck, unverhohlen. Die Ruhe in seinem Gesicht war nervtötend.
    Sie schloss ihre Augen, löste ihre Hände vom Spiegel, verlor die Spur der Worte, die nicht ihre Worte waren und doch ein Teil von ihr, und sah hin.
    Der Schatten bedeckte einen ganzen Häuserblock, und in seiner Mitte lag etwas, lauerte, das den Schatten ausspann und ihn verbreitete.
    “Was
ist
das?”, fragte Severn sie.
    Sie schüttelte den Kopf. “Ich – ich –”
    “Sie weiß es nicht.” Lord Nightshade sah an ihnen beiden vorbei in das schlingernde Rot der unbedeckten Augen des Drachen. “Lord Tiamaris?”
    “Das … das ist unmöglich.”
    “Tiamaris?”
    Er antwortete nicht. Kaylin zögerte einen weiteren Herzschlag lang – ihre Herzschläge waren ihr noch nie so lang erschienen – ehe sie den Spiegel mit beiden Handflächen berührte und herumwirbelte.
    “Lord Grammayre!”
    Auf der flachen Oberfläche eines einzigen Spiegel erschien das Abbild des Falkenlords, der von seinem Horst aus auf sie hinabblickte. “Kaylin?” Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn überraschte, aber es kam sehr, sehr selten vor.
    Sie konnte hinter ihm etwas an der Wand sehen. Die Wand war flach. Er befand sich nicht im Turm.
    “Archiv”, sagte sie mit kaum weniger eindringlicher Stimme. “Dieses Bild aufzeichnen.” Sie speiste den umschatteten Häuserblock ein.
    “Archiv, Abbild”, sagte der Falkenlord.
    Sie hatte erst einmal gesehen, wie die Flügel des Falkenlords nach oben und zur Seite fuhren, wie sie es jetzt taten. Es hatte sie fast umgebracht. “Ja”, sagte sie, während sie sah, was er sah. “Ich brauche die Falken. Ich brauche sie dort.”
    “Sie sind bereits verständigt”, sagte er und hob beide Hände und seine Stimme. “Mach keine Dummheiten, Kaylin –”
    Sie ließ das Bild zerspringen und wendete sich an Severn.
    “Brauchst du alle deine Dolche?”

19. KAPITEL
    “D ie Dolche”, sagte Lord Nightshade sanft, “werden kaum von Nutzen sein.”
    Da sie das schon selbst erlebt hatte, konnte sie ihm schlecht widersprechen, aber sie hasste es, keine Waffe zu tragen.
    Severn löste den Gürtel, in dem seine Dolche steckten. Er trug keine Scheiden an seinen Armen. “Nimm sie”, sagte er. “Ich werde sie nicht benutzen.” Und er begann die lange Kette von seiner Hüfte zu wickeln.
    Lord Nightshade sah zu, wie sich das Licht in den Gliedern fing. Es wurde zurückgeworfen, von den Spiegeln eingefangen und seltsam verzerrt abgebildet. Was, dachte Kaylin, man ja auch von einem magischen Spiegel von einiger Qualität erwarten konnte: Er bemerkte Dinge, die einem selbst nicht auffielen. Jedenfalls ihr nicht. “Wer immer dir beigebracht hat, diese Waffe zu benutzen, war kein Sterblicher”, sagte der Koloniallord nach einer Pause.
    Severn zuckte mit den

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