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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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gern.”
    “Es befindet sich schon lange in meinem Besitz”, entgegnete der Koloniallord ernst, “und nur für den Fall, dass es gebraucht wird.”
    “Der Kaiser wird davon erfahren”, sagte Tiamaris, die Augen immer noch auf die offene Klinge gerichtet.
    Der Koloniallord zuckte mit den Schultern. “Wenn er weise ist, hat er bereits einen Verdacht. Und ich fürchte, diese Klinge wird nicht seine einzige Sorge sein, und nicht einmal die größte.”
    “Makuron ist nicht tot.”
    “Nein.” Der Koloniallord zögerte einen Augenblick und sah Kaylin dann in die Augen. “Du verstehst nicht, was hier vorgefallen ist.”
    Sie schüttelte den Kopf. Weil sie es wirklich nicht verstand. Und weil sie es doch tat. Sie bebte jetzt, während ihre Macht verebbte. Ihr Bewusstsein würde sie ebenfalls bald verlassen, aber noch nicht. Sie mühte sich, ihre Augen offenzuhalten.
    “Makuron ist alt”, sagte Nightshade, “und du hast ihn sehr geschwächt. Mehr, fürchte ich, als ich oder Lord Tiamaris es gekonnt hätten, wären wir anwesend gewesen.” Er streckte eine Hand aus. Sie bewegte sich nicht. Seine Hand fuhr über das Zeichen auf ihrer Wange, und fast ohne es zu wollen lehnte sie sich in seine Berührung; sie war kühl und sanft.
    “Ich habe ihn nicht umgebracht”, sagte er zu ihr, und sie hatte das Gefühl, die Worte waren nur für sie bestimmt, auch wenn er sie unvorsichtig vor Zeugen aussprach.
    “Du hättest es gekonnt.” Erst als die Worte ihre Lippen verließen, wusste sie, dass sie stimmten.
    “Ja. In diesem geschwächten Zustand hätte ich es gekonnt.”
    “Aber du hast es nicht getan.”
    “Nein.”
    “Warum nicht?”
    “Weil”, antwortete er leise, “ich in deiner Schuld stehe. Und für dich wäre sein Tod kein angemessener Preis gewesen. Da ich jemanden gesehen habe, der die Stärke hatte, den Preis zu bezahlen, habe ich mich entschlossen, um deinetwillen zu verzichten.”
    Sie runzelte die Stirn.
    Lord Nightshade sah auf und begegnete Severns Blick – jedenfalls vermutete sie das.
    Tiamaris runzelte ebenfalls die Stirn. Doch als deutlich wurde, dass der Koloniallord fertig war, sprach er. “Du hast ihn fast selbst umgebracht, Kaylin. Wahrscheinlich wäre es dir gelungen, diese Tat zu überleben. Aber den Kindern nicht. Und hätten die Feuer dich verlassen – und das ist nicht sicher – müsstest du fortan das Gewicht ihres Todes auf deinen Schultern tragen.”
    Der Koloniallord begann zu gehen.
    “Lord Nightshade!”
    Er drehte sich um, die Augen ein tiefes, tiefes Grün mit kalten blauen Flecken in ihren Herzen.
    “Danke.”
    Er verbeugte sich. “Es ist noch nicht vorbei”, sagte er leise zu ihr. “Zwischen uns. Zwischen den Alten. Du bist hier, und du lebst, und du hast ihre Macht verwendet.”
    “Dann wird er –”
    “Makuron hat viel verloren. Aber ehe er stirbt?” Er schüttelte den Kopf. “Wir sollten ihn nicht vergessen. Er ist nicht zum ersten Mal fast gestorben.”
    “Was hat er – was hatte er vor?”
    Für einen Augenblick öffneten sich die Augen des Koloniallords weit, dann lachte er leise. Für einen Barrani war es, als wäre es ihm laut herausgeplatzt. “Du verstehst es nicht”, sagte er und schüttelte den Kopf. “Und ich werde nicht derjenige sein, der es dir erklärt. Noch nicht, Kaylin Neya, nicht einmal jemandem, dem ich meinen Namen gewährt habe.” Daraufhin drehte er sich um und entfernte sich von ihnen.
    “Makuron konnte die alte Schrift lesen”, sagte Tiamaris leise. Er sah wieder zu Kaylin. “Und er konnte … die Toten herbeirufen.”
    “Die Barrani?”
    Er nickte. Sein Gesichtsausdruck war etwa so warm wie behauener Stein.
    “Warum haben sie ihm gedient?”
    “Er hat ihnen Macht geboten”, sagte Tiamaris. “Und ja, deshalb kann Lord Nightshade dir nicht antworten. Makuron hat ihnen Macht geboten, für die sie ihre Namen aufgegeben haben.”
    “Aber –”
    “Macht ist seltsam und flüchtig. Die Barrani glaubten, sie entbehrten ihm die Schwäche, mit der alle Unsterblichen geschlagen sind – der Schwäche ihres Namens. Was sie stattdessen entbehren mussten, war viel mehr als das. Wie alle solche Bindungen diente sie zwei Zwecken.”
    “Ich verstehe das nicht.”
    “Nein. Das tust du nicht.” Er zögerte noch eine Minute, ehe er weitersprach. “Die Geschichte ist nicht unser Anführer und nicht unser Freund. Nur ein vorbeiziehender Fremder, der Legenden überschattet und ihnen einen Kern aus Wahrheit verpasst. Es heißt, dass die

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