Kaylin und das Reich des Schattens
Smaragdgrün, und sie blinzelten kein einziges Mal. Hoffentlich brannten sie ihm. Sie wusste, dass sie es nicht taten.
“Also dann”, sagte er ruhig, wieder in Barrani, als er seine Hände vom Türrahmen löste und die Bar betrat. Er machte eine Geste, ohne sich umzudrehen. Seine Finger fuhren durch die Luft, als wollten sie nur ein Staubkorn wegwischen.
Hinter ihm folgten zwei Wachen. So wie sie aussahen, waren es ebenfalls Barrani.
Drei. Gegen einen einzelnen Barrani hatten sie und Severn eine gute Chance – an einem sehr guten Tag. Aber gegen drei? Überhaupt keine.
Sie griff nach ihren Dolchen.
Der Koloniallord hob eine dunkle Braue. “Du solltest”, sagte er leise, “meine Gastfreundschaft nicht beleidigen. Wenn ich euch Schaden zufügen wollte, hättet ihr diesen … Ort niemals erreicht.” Er sah sich im Inneren der Taverne um.
Sie sagte nichts. Sie kannte seinen Namen schon seit Jahren als Flüstern auf den Straßen. In den Kolonien war das nichts Ungewöhnliches. Man kannte seinen Namen auch außerhalb der Kolonien, aber die Falken sahen keinen Grund, ihn mit Respekt in den Mund zu nehmen, wenn sie ihn überhaupt jemals benutzten. Daran hatte sie sich gewöhnt. Sie hatte zu viel vergessen.
Kaylin war dem Koloniallord noch nie begegnet. Sie war sich sicher, dass sie sich auch an einen flüchtigen Blick auf ihn hätte erinnern können, wenn sie ihn erhascht hätte. Denn auch wenn die Barrani für sie alle gleich ausgesehen hatten, als sie bei den Falken anfing, und es Monate gedauert hatte, bis sie sich an die haarfeinen Unterschiede zwischen ihnen gewöhnte, die sie auch nur zeigten, wenn es ihnen passte, hätte sie doch gewusst, dass dieser hier anders war.
Sie hätte ihn fast Lord Nightshade genannt, aber das wäre zu viel gewesen. Zu viel der Angst. Zu viel Reaktion.
Als könne er ihre Gedanken hören, sah er ihr in die Augen. “Du”, sagte er leise, “bist also das Kind.”
Nicht einmal dieses Wort regte sie auf.
Er kam auf sie zu, und Severn setzte sich langsam in Bewegung, um sich ihm in den Weg zu stellen. Die Barrani im Rücken des Koloniallords bewegten sich nicht so langsam, aber unendlich eleganter. Sie waren kalt, tödlich, wunderschön – und ganz und gar stumm.
“Severn”, sagte der Koloniallord ruhig. “Es ist viele Jahre her, seit wir uns das letzte Mal unterhalten haben.”
Kaylin konnte nicht verhindern, dass ihre Augenbrauen sich hoben. “Severn?”
Severn sprach sehr ruhig. “Nicht lange genug.”
Der Koloniallord bewegte sich, ehe sie oder Severn dazu kamen. Er schlug Severn mit der flachen Hand in den Nacken. Und Severn gelang es, auf den Beinen zu bleiben.
“Ich lasse mir, um der Gastfreundschaft willen, von Außenstehenden viel gefallen”, sagte der Koloniallord. “Aber ihr habt mir gehört – und ihr werdet es immer tun. Erdreistet euch nicht zu viel.”
“Er gehört nicht Euch”, sagte Kaylin scharf. Sie reagierte selbst überrascht auf diese Worte, von denen sie nicht geglaubt hatte, sie sprechen zu können, bis sie ihr aus dem offenen Mund gefallen waren. Sie sprach mit Nachdruck auf Elantranisch, ihrer Muttersprache. Barrani würde sie erst später benutzen, falls es so weit kam. Jetzt wäre es ein zu großes Eingeständnis. Oder zu dreist. Beide Möglichkeiten gefielen ihr nicht.
Eine schwarze Braue hob sich. Sie hatte den Koloniallord amüsiert. Andererseits war sein anderes Vergnügen, wie man so hörte, dabei zuzusehen, wie andere grausam und schmerzhaft zu Tode kamen.
“Beanspruchst du ihn für dich, Kleines?”
“Der Falkenlord tut das”, antwortete sie.
Er streckte langsam seine Hand aus, leer und mit der Handfläche nach außen. Daran glitzerte Gold, aber er trug keine sichtbare Waffe. Er legte seine Finger sanft an ihre Wange.
Als ob sie ein Haustier wäre, so klein und so hilflos.
“Der Lord der Falken hat hier keinen Einfluss”, antwortete er leise, “außer dem, den ich ihm zugestehe.”
“Er hat sehr wohl Einfluss”, erhob Tiamaris zum ersten Mal ruhig seine Stimme.
Die Hand des Koloniallords erstarrte, aber er nahm sie nicht von ihrem Gesicht, als er sich umdrehte. Seine Augen allerdings weiteten sich, als er dem roten Blick des Drachen begegnete. Seine aufgesperrten Augen schienen zu brennen. “Gehört sie Euch?”, fragte er beiläufig, und dieses Mal lies er seine Hand fallen.
“Sie ist, was sie selbst sagt.”
“Sie hat noch nicht gesagt, wem sie dient”, antwortete der Koloniallord. “Und wenn ich
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