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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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jetzt. Es ist spät, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns.”
    “Weg?” Ihr erstes Wort, und es machte nicht gerade viel her. Andererseits sagte Severn überhaupt nichts.
    “Ihr seid als Gäste in die Langen Hallen von Nightshade eingeladen”, antwortete er mit der Andeutung einer Verbeugung. “Aber der Sonnenuntergang steht kurz bevor, und in den Kolonien –”
    Sie nickte. In den Kolonien hatte die Nacht eine andere Bedeutung.
    Eine halbe Stunde später kribbelte ihre Haut immer noch. Der Koloniallord ging ihnen voraus, und die Wache aus den zwei Barrani folgte als Letzte. In einer ungemütlichen Reihe zwischen diese zwei gepresst folgten Severn, Kaylin und Tiamaris, deren sprichwörtliche Flügel fürs Erste beschnitten waren.
    “Severn”, sagte sie in einer so leisen Stimme, dass er sie nicht hätte hören dürfen.
    Severn nickte, auch wenn er sie nicht ansah.
    “Mein Gesicht – was ist damit passiert?”
    “Du – du hast eine blaue Blume auf deiner Wange”, sagte er ruhig.
    “Eine
Blume
?”
    “Irgendwie schon. Es ist Nachtschatten.”
    “Was?”
    “Nachtschatten”, sagte Tiamaris leise. “Der Namensgeber des Koloniallords. Es ist ein … Kraut”, fügte er hinzu.
    “Ich habe eine
Blume
auf mein Gesicht tätowiert?”
    Severn wendete sich jetzt doch zu ihr und hob die Augenbrauen. “Hätte dir ein Totenkopf besser gefallen?”
    “Oder ein Dolch. Ein Schwert. Sogar ein Falke. Aber eine
Blume
?”
    “Eine tödliche”, sagte Tiamaris mit dem Anflug eines Lächelns. “Aber sie ist sehr hübsch.”
    Sie hätte ihm einen Tritt verpasst, wäre er kein Drache gewesen. Oder würde sie nicht von Barrani beobachtet. Sie entschied sich, nur finster dreinzublicken.
    Was sein Lächeln noch vertiefte. Drachenlächeln. “Du solltest dich … geehrt fühlen. In gewisser Weise. Ich sehe das Mal des Koloniallords zum ersten Mal auf einem Menschen.”
    Sie drehte die Worte in ihrem Kopf herum und suchte sich die Informationen heraus, die sie enthielten. “Wie oft hast du das Mal auf anderen gesehen?”
    “Nicht oft”, sagte er mit gesenkten Lidern. “Und nein, ehe du fragst, ich sage dir nicht, wann.”
    Sie runzelte die Stirn. “Weiß der Falkenlord –?”
    “Lord Grammayre weiß viel”, antwortete er. “Und wenn er es für nötig hält, dich zu erleuchten, dann wird er es tun. Bis dahin schlage ich vor, du achtest auf die –”
    Gepflasterten Straßen. Schlecht gepflastert. Sie verfing sich mit dem Stiefel unter einem hochkant liegenden Stein und stolperte. Severn packte ihren Arm, ehe sie hinfallen konnte.
    “Severn?”
    “Was?”
    “Wann hast du den Koloniallord getroffen?”
    “Als wir beide noch in den Kolonien gelebt haben”, sagte er. Aber er sah ihr nicht in die Augen.
    “Warum hast du mir nichts davon gesagt?”
    “Weil ich nicht wollte, dass du es weißt.”
    “Gut, das war mir auch klar. Warum?”
    Er schüttelte den Kopf. “Frag nicht, Kaylin.”
    Sie hörte den veränderten Tonfall seiner Stimme und wollte es auf einmal gar nicht mehr wissen. “Weißt du, wo wir hingehen?”
    “Nein. Als ich damals mit ihm gesprochen habe, hat er mich nicht in seine Hallen eingeladen.”
    “Sollten wir uns Sorgen machen?”
    Der Blick, mit dem er sie bedachte, brachte sie fast zum Lachen. Es wäre allerdings ein zitterndes Lachen gewesen. Sie verkniff es sich. “Ich meine noch mehr Sorgen?”
    Er schüttelte den Kopf und gab ihr einen sanften Klaps. “Du hast dich überhaupt nicht verändert”, sagte er und klang nur ein wenig verbittert dabei.
    Das Herrenhaus des Koloniallords war überhaupt kein Haus. Es war eine kleine Festung. Umgeben von Steinwällen, und dahinter – schwerlich zu erkennen, weil sie sehr hoch waren – konnte man die Umrisse einer Burg sehen, nicht mehr. Das Mauerwerk war in perfektem Zustand, in den Kolonien ein Anlass zur Sorge, weil nichts jemals perfekt war.
    Die Burg hätte lächerlich gewirkt, wäre sie nicht in Begleitung des Mannes gekommen, der aus ihrem Herzen heraus die Kolonie regierte. Sie hatte fast ihr ganzes Leben in Nightshade gelebt und war nur einmal in die Nähe der Festung gekommen. Auch die Straßen, die sie umgaben, hatte sie nur selten betreten. Sie hatte die meiste Zeit damit verbracht, ihre Fähigkeiten als Diebin zu perfektionieren, und niemand überlebte es, den Koloniallord oder seine engsten Berater zu bestehlen. Und am Ende waren sie froh darum, nicht zu überleben. Was dazwischen kam, war fürchterlich.
    Sie sah niemanden

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