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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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so harmlos und bemitleidenswert wie möglich auszusehen. Und den Dreh hatte sie aufgegeben, als sie die Kolonien verlassen hatte, um den Falkenlord aufzusuchen.
    Und eine Frau zu sein? Hieß gar nichts, nicht für die Schläger des Koloniallords. Verdammt, sie hatte schon Frauen an ihrer Stelle erlebt, die, wenn sie es wollten, viel bösartiger waren als Männer.
    Die feinen Damen aus der Stadt triumphierten mit stilsicherer Weiblichkeit und schärften ihre Zungen, nicht ihre Dolche. Kaylin wusste endgültig, dass die sieben Jahre in der Stadt keinen Eindruck auf sie gemacht hatten, als sie ausholte, ehe Severn dazu kam.
    Der Anführer war nicht dumm, er hatte nur zu viel Selbstvertrauen. Sie war nicht bewaffnet, und sie war nicht wie ein greller Wachposten gekleidet. Er holte weit mit seinem Dolch aus und wählte als Angriffsfläche die Schneide, nicht die Spitze.
    Verwunden, nicht töten; noch nicht.
    Sein Pech. Sie ließ ihn zustechen und hob die Armschiene, mit der sie gefangen gehalten wurde. Die Schneide durchtrennte die groben Leinenfäden ihrer Tunika und prallte dann an dem harten Metall ab. Sein Arm schnellte in einem Winkel zurück, der seinen Brustkorb freilegte. Es gelang ihr, sich nur ein kurzes Stück von ihm zu entfernen, ehe er sein langes Messer einsetzen konnte. Sie hob ein Bein, um seinen ungelenken Tritt abzuwehren.
    Sie schlug zu, eins, zwei, ihr Atem ging in kurzen, scharfen Stößen, sie konzentrierte ihr ganzes Training von einigem Ausmaß auf einen einzigen Punkt. Sie spürte Knochen splittern, hörte ihn aufstöhnen. Er war gut, das musste sie ihm lassen. Mehr als stöhnen tat er nicht.
    Aber er hatte auch nicht viel Gelegenheit dazu. Sie holte mit der Faust aus und öffnete sie im letzten Moment, sodass ihre Handfläche flach gegen sein Kinn aufschlug und seinen Kopf nach hinten warf. Sie versetzte ihm einen Schlag auf den Adamsapfel, und er stolperte rückwärts.
    Severns schneller Tritt warf den Angreifer gegen die zwei Männer zurück, die sich hinter ihn gestellt hatten. Er traf sie nicht genau, sie hatten sich bereits voneinander entfernt. Aber er traf ihren jeweils rechten und linken Arm und brachte sie aus dem Gleichgewicht.
    Die Regeln in den Kolonien waren einfach. Ehrenhafte Kämpfe waren etwas für Märchen, Idioten oder Tote.
    Kaylin war bereits wieder auf den Beinen und nahm sich den Mann mit dem langen Messer auf der Linken vor; Severn hatte sich auf den Mann mit dem kurzen Schwert eingestellt. Sie bekam kurz den Eindruck von Höhe, Breite und dunklen Haaren. Sie sah ein kurzes rotes Blitzen, als der Mann mit dem Schwert, wieder in gebrochenem Barrani, fluchte. Es bestand kein Zweifel daran, wem diese Männer dienten.
    Der Mann, den sie aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, und dem sie jetzt gegenüberstand, war schwerer als sein Anführer. Er war nicht besser gerüstet, und er war vorsichtig – aber aus dem Gleichgewicht und zu vorsichtig war eine schlechte Kombination. Sie überließ ihren Gegner der Schwerkraft. Er kämpfte dagegen an, aber das bedeutete nur, dass er gegen zwei Angreifer antreten musste. Sie setzte zu einem Halbkreistritt an, stemmte ihren Fuß in den Boden, drehte sich darauf, und beendete das Ganze mit einem Tritt nach hinten. Dieses Mal brachen keine Knochen, aber der Mann stolperte und ließ seine Waffe fallen, um sich den Bauch zu halten.
    Der vierte Mann kam von rechts.
    Er hatte genug Zeit gehabt, sich den Kampf anzusehen, und gerade genug Zeit, sich sein Opfer zu wählen. Offensichtlich hielt er Kaylin für die Schwächere der beiden. Das störte sie. Marcus hätte ihr dafür das Fell über die Ohren gezogen – auch wenn er der Ansicht war, dass Menschen so wenig Fell hatten, dass es sich kaum lohnte –, wenn sie sich davon hätte einschränken lassen.
    Sie tat das Nächstbeste: Sie trat ihm gegen sein Knie. Fest. Sie traf ihn seitlich am Bein, er stöhnte auf, schwang sein langes Messer, und sie verdrehte ihren Arm in eine fast unmögliche Position, um es abzuwehren. Einen Augenblick war sie tatsächlich dankbar für ihren Käfig. In der ganzen Stadt gab es keine Waffe, die die Armschiene sprengen konnte. Der Aufprall warf ihren Arm gegen ihre Brust, und sie verlegte ihr Gewicht auf ihr hinteres Bein und trat mit dem vorderen zu.
    Er griff nach ihrem Bein. Er war zu langsam und neigte seine Brust deshalb weit genug nach vorne, dass sie zuschlagen konnte. Das tat sie, schleuderte ihre Fäuste nach vorn und versetzte seinem Kinn von unten mit

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