Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
Vom Netzwerk:
die Erdanziehung nichts weiter als nutzloser Mist war.
    Sie würde sich immer wieder dafür entscheiden, zu fallen.
    Sie hörte den Koloniallord. Sie
spürte
seine Anwesenheit. Aber ihre Hand bewegte sich und hörte nicht auf. Ihre Haut berührte das blaue Feuer. Das blaue Feuer berührte sie.
    Für einen flüchtigen Augenblick konnte sie in der Lichtsäule etwas erkennen, das aussah wie ein … Mann. Wie der Barrani Koloniallord. Nur furchtbarer. Sie konnte keine Gesichtzüge erkennen, sie wusste nur, dass sie das auch auf keinen Fall wollte.
    Ihre Hand sank durch das Licht.
    Sie hörte ein einziges Wort.
    Auserwählt.
    Und dann leuchtete ein anderes Licht auf. Die goldene Armschiene steckte in der Säule fest und ließ sich nicht weiter bewegen. Sie drückte mit ihrem halben Gewicht und ohne Willen dagegen. Sie verlor den Boden unter den Füßen.
    Sie schrie auf, sie konnte nicht anders. Jahrelanges Training war in der Panik, die folgte, vergessen. Sie konnte nur Licht sehen, nur das unverständliche Murmeln einer fremden Stimme hören, konnte unter ihren Füßen nichts mehr spüren. Sie hatte ihr ganzes Leben lang Angst vor der Nacht gehabt, aber das hier war noch schlimmer. Ihre Füße bewegten sich, auf das Licht zu, auf die Säule, auf das, was darin war. Sie biss sich auf die Unterlippe und schmeckte Blut.
    Und dann, kurz bevor sie die Säule betrat, kurz bevor sie sich selbst ganz darin verlor, kamen die Schatten, und sie kamen in der Form eines dunklen, scharf umrissenen Wappens.
    Sie erkannte es nicht. Es war nicht von Bedeutung.
    Sie schlug zu und erstarrte.
    Das Licht kratzte an seinen Rändern, versuchte es zu durchdringen wie die Sonne Bleiglasfenster. Aber dieses Gitter bot keinen Durchlass, es war kein Fenster, auch wenn es zuerst so ausgesehen hatte. Es war eine Wand.
    Es war eine Wand, auf der etwas geschrieben stand. Sie starrte die Schrift an, als das Licht noch heller aufflackerte, und sie verstand das Wort auf die gleiche Art, auf die sie Hunger, Schmerz oder Angst verstand: instinktiv.
    Sie konnte immer noch Blut schmecken. Sie spürte ihre Lippen nicht. Aber sie bewegten sich trotzdem. Barrani war eine der Sprachen, die sie auf Befehl des Falkenlords hin gelernt hatte, und wenn sie auch nicht sein fleißigster Schüler gewesen war, gelernt hatte sie doch. Sie hatte alle wichtigen Lektionen, die er ihr vermitteln wollte, gelernt, sogar die, die Narben hinterlassen hatten.
    Ihre Lippen formten die Silben nach, auch wenn sie sich dazu zwingen musste. Sie konnte kein Geräusch von sich geben, aber das machte nichts.
    Calarnenne.
    Das Licht verlosch.
    “Ich bitte um Vergebung”, sagte der Koloniallord leise. Seine Arme lagen um ihre Taille, sein Gesicht gegen ihren Hals gepresst. Schwarzes Haar fiel in losen, wilden Strähnen über ihre Schulter. Schönes Haar.
    Sie versuchte zu sprechen.
    Er hob eine Hand und presste seine Finger sanft gegen ihre Lippen. “Das reicht”, sagte er leise. “Du hast genug getan. Ich habe genug getan, Komm. Wir müssen diesen Ort verlassen.”
    Ihre Knie gaben nach.
    Teela hätte sie ausgelacht. Tain den Kopf geschüttelt. Doch der Koloniallord tat nichts von beidem. Er fing sie auf, ehe sie zu Boden fallen konnte, und hob sie hoch, als würde sie nichts wiegen. Er drückte sie gegen seine Brust, und weil er es tat, sah sie, wie Blut auf den weichen Stoff seiner merkwürdigen Tunika tropfte.
    Es war ihres. Ihre Wange blutete.
    “Ich … kann gehen.”
    Er lächelte grimmig. “Du kannst kaum sprechen”, sagte er, “und wenn du den Boden noch einmal berührst, dann weiß ich nicht, ob ich dich davon abhalten kann, das Siegel anzufassen.”
    Es gab so viele Fragen, die sie ihm stellen wollte.
    Nur einer gelang es, sich an die Oberfläche zu kämpfen. “Calarnenne?”
    “Ja”, antwortete er grimmig. “Mein Name. Sprich ihn nicht aus, Kaylin.” Seine Augen waren so blau, wie das Licht es gewesen war, und genauso kalt.
    “Dein Name.”
    “Ich sollte dich umbringen”, entgegnete er.
    “Warum?”
    “Weil du jetzt eine größere Bedrohung als selbst der Drache darstellst.”
    Sie schüttelte den Kopf. Das wusste sie. “Warum hast du – warum Euer Name?”
    Er blieb stehen, aber er setzte sie nicht ab. Die Bäume streckten sich jetzt wieder über sie, sie fand ihre Anwesenheit fast tröstlich. “Das Zeichen”, sagte er und berührte ihre verwundete Wange, “war nicht genug. Du kennst die Barrani”, fügte er hinzu und wischte mit den Fingern vorsichtig

Weitere Kostenlose Bücher