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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Die unwichtige Hälfte.
    “Was?”
, brüllte sie, während sie auf den Spiegel zurannte.
    Marrin sprach erneut, und wieder schallte das wütende Fauchen des leontinischen Schreis durch das ganze Büro, nur noch lauter.
    Marcus sah auf. Er erreichte den Spiegel, ehe Kaylin es konnte, keine schlechte Leistung, wenn man bedachte, von wo aus sie beide gestartet waren. Aber sein Fell war ebenfalls aufgestellt, und seine Klauen – auch seine Klauen waren voll ausgefahren.
    Sie hatte so etwas schon vorher gesehen, aber nur selten: Er reagierte auf eine weibliche Leontinerin in Not. Sie wollte auf keinen Fall die tote Person sein, die ein Grund für diese Not war. Denn das würde sie sein, so wie Marcus sich aufführte, und es würde kein angenehmer Tod werden.
    Sie hätte ihm die Situation überlassen, aber sie hatte das einzige Wort in Marrins Leontinisch erkannt, das wichtig war: Catti.
    “Marcus”, sagte sie, genauso dringlich, aber so leise und so unterwürfig wie sie konnte. Sie bemerkte kaum, dass die Büroangestellten ihren Papierkram langsam in die sichersten Behältnisse schoben und sich von ihren Schreibtischen wegschlichen.
    Er drehte sich um, so plötzlich, dass Kaylin Angst bekam, er würde sie gleich ausweiden. Aber sie floh nicht, und sie zeigte keine offensichtliche Angst. Nicht vor Marcus. Das hatte er ihr selbst beigebracht, und sie hatte schnell gelernt.
    Sein Fell legte sich langsam wieder glatt, und wenn seine Klauen auch nicht einfuhren, so sprach er doch Elantranisch mit ihr. “Catti wird vermisst”, sagte er.
    Sie schluckte. “Vermisst?” Sie wendete sich zum Spiegel. Marrin war immer noch vollkommen aufgelöst, und in ihren Augen glitzerte buchstäblich die unterdrückte Wut. Kaylin wollte nie erleben, wie die Mutter der Findelhalle ihrer Wut freien Lauf ließ.
    “Marrin,
bitte
sprich Elantranisch mit mir. Und sprich schnell.
Was ist passiert?

    Und auch wenn Marrin nicht anders aussah, kämpften ihre Stimmbänder mit den unnatürlichen Klängen menschlicher Vokale und Konsonanten. “Dock ist vor fünf Minuten zu mir gekommen.”
    “Er hat Bericht erstattet?”
    Sie nickte.
    “Catti ist nicht weggelaufen.” Es war keine Frage.
    “Wenn doch, hat sie ihr Fenster – im zweiten Stock – gesprengt und vorher ihr halbes Zimmer zu Asche gebrannt.”
    “Sie ist nicht –”
    “Sie war nicht im Zimmer, als es passiert ist, nein.”
    “Gibt es –”
    “Es gibt Blutspuren”, sagte Marrin, ehe ein Knurren ihre Silben verschluckte. Sie musste kämpfen, um es zurückzuhalten. “Nicht viel. Aber es ist ihres.”
    “Ich bin sofort da.”
    Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter, und sie
fauchte
. Marcus allerdings krümmte seine Klauen. Sie wirbelte zu ihm herum, und die Klauen pressten den Stoff auf ihre Haut.
    “Nicht allein”, sagte er ihr.
    “Ich muss jetzt los.”
    “Nimm jemanden mit.”
    “Nein.”
    “Kaylin –”
    “
Nein
. Es ist
meins
, Marcus. Meins. Ich muss –” Sie sagte etwas auf Leontinisch. “Sie
vertrauen mir.
” Es war der gleiche Satz, leicht verändert, den er ihr beigebracht hatte, als es darum ging, dass sie sich merkte, wie wichtig der Eid der Falken war.
    Und er akzeptierte seine volle Bedeutung. “Dann geh”, sagte er. “Aber Kaylin,
falls
Magier damit zu tun haben, rufst du
sofort
die Falken. Verstanden?”
    Sie nickte.
    “Versage”, sagte er, als sie schon zu den Türen stürzte, “und du wirst so lange suspendiert, dass du dich wie auf der anderen Seite des Gesetzes fühlst.”
    Amos wartete auf sie. Er machte sich nicht die Mühe, etwas zu sagen, er schickte sie einfach die Treppe hinauf und folgte ihr. Das Tor blieb unbewacht. Sein Haar, sowieso schon weiß, sah aus, als wäre die Hälfte, die ihm das Alter noch gelassen hatte, ausgerissen worden. Seine Augen waren rot. Wäre er ein Leontiner gewesen, dann hätte er sich sofort auf in die Straßen gemacht und Leute befragt. Was ungefähr das Gleiche war, wie sie umzubringen.
    “Ich habe sie hierbehalten”, sagte er, während Kaylin sich mit den Eingangstoren abmühte. Sie wusste, dass er Marrin meinte.
    “Gut gemacht”, konnte sie herauspressen, während die Tore endlich nachgaben. “Ich beneide dich nicht darum.” Und dann rannte sie los.
    Marrin wartete nicht in der Halle auf sie, und das war von allen das schlimmste Zeichen. Kaylin zögerte einen Augenblick und hetzte dann die Treppe hinauf, zwei bis drei Stufen auf einmal. Sie war außer Atem, noch ehe sie angefangen hatte, und

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