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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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fingen, und beugte sich weiter zurück, bis sie die Pflastersteine mit der Hand berühren und sich Hals über Kopf von ihm fortdrehen konnte. Sie blieb in sicherem Abstand stehen und setzte sich dann in die andere Richtung wieder in Bewegung. Den Dolch hatte sie auf der Straße liegen lassen, aber sie hatte noch andere. Sie begann zu rennen, spannte ihren ganzen Körper an und sprang, drehte sich in der Luft um sich selbst, die Füße bereits ausgerichtet, und zielte.
    Aber der Sprung trug sie sehr hoch.
    Wirklich hoch, zu hoch. Sie fühlte Hände unter ihren Achseln und hörte eine vertraute Stimme in ihrem Ohr. “Versuch es gar nicht erst”, sagte Clint, ganz ohne Zuneigung oder Humor in den Tiefen seiner Stimme. “Sonst muss ich dich fallen lassen.”
    Er trug sie gen Himmel und verstärkte seine Drohung damit mit jeder Sekunde.
    Und sie sah, als ihre Augen wieder klar wurden, als der kalte Wind ihrem Gesicht einen fast zärtlichen Schlag verpasste, dass der Himmel voller Aerianer war, und der Boden übersät mit ihren Schatten.
    Unter ihr war sonst niemand, niemand außer Severn.
    “Du verstehst das nicht!”, brüllte sie Clint an. “Du verstehst es nicht!”
    “Nein”, sagte er und packte sie fester. “Das tue ich nicht. Keiner von uns tut das. Aber wenn du es dem Falkenlord nicht erklären kannst, vermacht er das, was von dir übrig bleibt, den Tha’alani. Was hast du dir verdammt noch mal bloß
gedacht
?”
    Sie konnte es ihm nicht sagen.
    Sie konnte es keinem der aerianischen Falken sagen, die in Massen zu den Findelhallen gekommen waren. Sie konnte sehen, wie einer von ihnen durch die Überreste von Cattis Fenster flog, und wusste plötzlich, wer sie gerufen hatte. Marrin.
    Wenn Marrin sie verstanden hätte, hätte sie ihr geholfen.
    Kaylin verstummte bebend, und alle Kampfeslust entwich aus ihr.
    “Du kannst dich als suspendiert betrachten”, sagte Clint, und seine Stimme wurde langsam wieder zu der, die sie kannte. Er ließ sie los, und sie fiel ein gutes Stück, ehe er sie wieder auffing, diesmal in einer vertrauteren Haltung.
    “Werd mit deiner Geschichte fertig, Falke”, sagte er, in der strengsten, väterlichsten Stimme, die sie je von ihm gehört hatte. “Lass dich nicht davon kaputt machen.”
    “Ich dachte, das erledigt schon der Falkenlord”, sagte sie und vergrub das Gesicht in seiner Brust.
    “Wahrscheinlich.” Er hätte sie gern geschüttelt, das konnte sie aus dem vertrauten Ton seiner Stimme erkennen. Aber das war im Flug schwer zu erledigen. “Kaylin –”
    “Er wird sie alle umbringen”, sagte sie bitter.
    “Sag das dem Falkenlord.” Er brachte sie in die Gesetzeshallen, vorbei an den Toren, die er nicht länger bewachte, durch das Labyrinth der Korridore, vorbei an inneren Privatzimmern, den Büros und ihren starrenden Insassen. Er flog sie direkt in die Kuppel des Turmes des Falkenlords, und sie sah, dass sie offen war, wie ein riesiges Drachenauge, dessen innere Membran endlich gefallen war.
    Aber er setzte sie nicht ab, ehe er landete, und er landete
innerhalb
des Kreises im Herzen der Mitte des Turmes.
    Der Mann, den man offiziell als Lord der Falken kannte, wartete dort, und seine Augen waren so dunkelblau wie sie es bei einem Aerianer noch nie gesehen hatte.
    “Kaylin Neya”, sagte er kalt. “Ich bin sehr enttäuscht von dir.”
    Clint setzte sie in den Grenzen des Kreises ab und schwang sich dann wieder auf in die Luft. Sie beredeten etwas auf Aerianisch, aber der Wind trug ihre Worte davon, und Kaylins Aerianisch war nicht gut genug – es war zu sehr von den Straßen geprägt. Sie konnte nicht verstehen, was die zwei beredeten.
    Aber sie hörte die Wörter “Magie” und “Magier”, und das reichte ihr. Die Falken würden die Findelhallen in wenigen Minuten gestürmt haben. Und Severn? War wahrscheinlich der Erste unter ihnen.
    Sie konnte den Kreis nicht verlassen. Sie versuchte es nicht einmal. Die Grenzlinien auf dem Boden waren fauchend zum Leben erwacht, und sie wusste, was das bedeutete. Als sie diesen Turm zum allerersten Mal betreten hatte, hatten sie genau das Gleiche getan. Damals war sie dümmer gewesen. Sie hatte es versucht. Auf ihren Unterarmen sah man immer noch die durchsichtige Narbe dieses einen Versuchs.
    Aber der Kreis war keine Kuppel, sie konnte aufstehen.
    Und auch wieder nicht. Ihre Arme und Beine zitterten zu sehr. Sie neigte den Kopf. Fast war es eine Geste des Respekts, man konnte auch darüber streiten, ob sie Reue

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