Keeva McCullen 3 - Invasion der Ghule (German Edition)
Stirn strich und lehnte sich ein paar Sekunden dagegen. Dann nickte sie. Sie wusste, er konnte sie genau sehen – und mehr denn je beneidete sie ihn um diese Fähigkeit, Nachteile hin oder her.
„Ich bin jetzt weg!“, sagte er.
Sie spürte erneut einen Luftzug – und herabfallende Erd- und Steinbrocken zeigten ihr, dass er den Kamin hinaufkletterte, den sie erst vor wenigen Minuten hinuntergefallen waren. Für einen kurzen Augenblick hörte sie noch seine sich schnell entfernenden Schritte - dann herrschte wieder Stille.
Und Dunkelheit...
*
Shane Truax warf einen letzten Blick nach unten. Keevas blasses Gesicht war für ihn so deutlich sichtbar, als wäre ein Scheinwerfer darauf gerichtet. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er den Schmerz und die Verzweiflung in ihren Zügen las.
Er holte tief Luft, richtete sich auf und beobachtete für einige Sekunden konzentriert die Umgebung.
Nichts, es blieb alles ruhig.
Es war noch relativ früh in der Nacht – und für Ghule, die die Abgeschiedenheit und Einsamkeit liebten, war auf den Straßen bestimmt noch viel zu viel los. Ziemlich sicher würden sie erst später ihr Nest verlassen und nach Beute Ausschau halten. Und das bedeutete wiederum, dass sie noch eine ganze Weile dort unten in dem Gewölbe herumtollen würden.
Möglicherweise wurde in dieser Zeit einem der Ungeheuer langweilig und es kam auf die Idee, die anderen Gänge unter dem Friedhof zu erkunden.
Oder sie hatten doch etwas von dem Einsturz gehört, auch wenn das Verhalten, das er bei ihnen beobachtet hatte, nicht darauf schließen ließ. Bei Ghulen wusste man so etwas nie, sie waren nicht besonders intelligent. In einem Moment bemerkten sie etwas, vergaßen es sogleich – nur um sich in einem anderen Moment plötzlich wieder daran zu erinnern...
Shane wurde schlecht, als er sich klarmachte, in welcher Gefahr Keeva schwebte. Er durfte nicht eine Sekunde Zeit verlieren, sondern musste unverzüglich seinen Großvater zu Hilfe holen!
So schnell er konnte, rannte er los.
*
Theobald Truax schreckte hoch. Er war auf der Couch vor dem Fernseher eingenickt, weil das Programm so langweilig war – und jetzt klingelte und klopfte jemand an seiner Haustür, als würde London gerade in Flammen stehen.
Da für diesen Überfall eigentlich nur einer infrage kommen konnte – nämlich sein Enkel Shane – und dieser ganz und gar nicht zur Hysterie neigte, war Theobald sofort höchst alarmiert, sprang auf und lief zur Tür.
Sein Äußeres glich dem eines alten Mannes, seine Bewegungen aber waren geschmeidig und schnell. Theobald Truax war ein Formwandler, ein Metamorph. Als er vor über fünfzig Jahren die Entscheidung getroffen hatte, lieber unter den Menschen leben zu wollen, hatte er sich eine menschliche Gestalt angeeignet und deren Erscheinungsbild – um seine Umgebung nicht zu irritieren – über die Jahre hinweg seinem jeweiligen Alter angepasst. Nach menschlichen Maßstäben war er jetzt weit über siebzig, ein Greis also. Als Dämon war er zwar auch kein Jüngling mehr, gehörte jedoch noch lange nicht zum alten Eisen. Auch wenn er sich manchmal, gerade abends vor dem Fernseher, so fühlte...
Er riss die Tür auf und wie erwartet stand sein Enkelsohn davor. Dieser wirkte erleichtert, als er seinen Großvater erblickte.
„Endlich!“, stieß Shane hervor. „Ich brauche deine Hilfe, bitte. Keeva ist in Lebensgefahr!“
Theobald zögerte nicht lange. Er schlüpfte sofort in seine Schuhe und griff nach dem Haustürschlüssel, während Shane atemlos berichtete.
„Wir waren auf dem High-Gate-Cemetery“, sagte er – und Theobald verzichtete darauf, ihn zu fragen, was sie dort gewollt hatten. Er konnte es sich auch so denken, schließlich war Keeva ebenfalls eine Dämonenjägerin.
„Zuerst sah es so aus, als wäre alles ruhig“, erzählte sein Enkel weiter, während Theobald seine Jacke nahm und sie gemeinsam das Haus verließen.
„Doch dann sind wir durch den Boden gebrochen und in einen alten Gang unter dem Friedhof gefallen. Keeva hat sich dabei den linken Fuß verletzt, sie kann nicht laufen.“
Theobald horchte auf.
„Blutet sie?“, fragte er, doch Shane schüttelte den Kopf.
„Nein, glücklicherweise nicht. Aber der Fuß könnte trotzdem gebrochen sein. Jedenfalls habe ich nach einem anderen Ausgang gesucht – und ein Ghulnest gefunden, am Ende des Ganges, in dem Keeva nun liegt.“
Theobald Truax blieb abrupt stehen und sah den jungen Mann verwirrt an. Sein Enkel war
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