Keeva McCullen 3 - Invasion der Ghule (German Edition)
ein ausgezeichneter Dämonenjäger, und um so lächerliches Ungeziefer wie ein paar Ghule zu bekämpfen, brauchte der junge Mann ganz gewiss nicht die Hilfe seines Großvaters. Theobald hatte eigentlich mit einer richtigen Bedrohung gerechnet, war davon ausgegangen, dass ein deutlich stärkerer Dämon mit im Spiel sein musste – so wie der Höllenhund oder die Sukkubus, deren Erscheinen ihn in den letzten Monaten bereits zum Grübeln gebracht hatte.
Als er nun hörte, dass es nur um Ghule ging, reagierte er entsprechend verblüfft: „Ghule? Wozu brauchst du dann mich? Etwa nur, um das junge Mädchen aus dem Loch zu heben? Mit zwei oder drei Ghulen wirst du doch normalerweise spielend fertig!“
Shane sah ihn verzweifelt an und schüttelte erneut den Kopf.
„Es sind aber nicht nur zwei oder drei“, sagte er und Theobald Truax kniff die Augen zusammen.
„Wie viele sind es denn?“, fragte er, das Schlimmste ahnend.
„Mindestens zwanzig, eher dreißig“, erwiderte Shane.
„Verdammt!“, fluchte der Dämon und lief sofort weiter. Shane brauchte ihm nicht erst zu sagen, was das bedeutete. Eine so große Anzahl dieser Aasfresser war tatsächlich eine ernstzunehmende Bedrohung. Erst recht, wenn man bewegungsunfähig in der Nähe dieser sicherlich vollkommen ausgehungerten Biester lag...
*
Hunger!
Der Ghul konnte an nichts anderes mehr denken. Er saß am Rande des Nestes und sah aus rotgeränderten, wunden Augen auf seine Geschwister. Als einer der jüngsten Nachkommen des Rudels war er noch nicht so stark und kräftig wie die älteren Mitglieder, schon gar nicht wie ihre Anführer. Daher brauchte er überhaupt nicht erst darauf zu hoffen, auch ein Stück der frischen Beute abzubekommen.
Das Gesetz des Rudels besagte, dass die Stärksten zuerst fressen durften. Und falls dann für die anderen nichts mehr übrig blieb – nun, auf diese Weise wurde das Rudel wenigstens seine Schwächlinge gleich los, konnte den Spreu vom Weizen trennen.
Der Ghul zweifelte die Richtigkeit dieser Regel nicht an – nur so konnte das Rudel sowohl Kraft als auch Macht dazugewinnen -, aber sein Magen schmerzte deswegen auch nicht weniger.
Kraftlos erhob er sich und schnüffelte resigniert an einem der Knochenhaufen, die überall auf dem Boden des großen Gewölbes herumlagen. Vielleicht ließ sich ja doch noch der eine oder andere kleine Fetzen Aas finden. Seine Suche blieb allerdings vergebens: alle Knochen waren vollkommen blank genagt, aufgebrochen und das Mark herausgesaugt. Da war nichts mehr zu holen.
Er seufzte und wanderte weiter nach hinten. Er war müde und sehnte sich nach Ruhe, das Geschnatter und Geschrei in der Mitte des Nestes fiel ihm zunehmend auf die Nerven. Also begab er sich in einen Teil des Gewölbes, das er zuvor noch nie besucht hatte.
Er hatte nicht damit gerechnet, hier etwas Interessantes zu finden, daher war er umso verblüffter, als er ein leises Rumpeln vernahm – und erschauderte kurz darauf vor freudiger Erregung, weil ihm unverhofft ein unglaublich verführerischer Duft in die Nase stieg: Fleisch!
Der Ghul fletschte die Zähne und dicke Tropfen fielen auf den Boden des Ganges, an dessen Eingang er sich gerade befand – und aus dem dieser verlockende Geruch zu ihm wehte. Wenn schon der Duft allein genügte, um Speichel in sein Maul schießen zu lassen, wie wunderbar würde es erst sein, wenn er seine Zähne tief in das saftige Fleisch schlagen konnte?
Er drehte sich um und blickte unentschlossen zurück in das Hauptgewölbe. Seine Geschwister nahmen ihn überhaupt nicht zur Kenntnis, sondern kämpften weiterhin lautstark um das letzte verbliebene Stück der heutigen Beute. Für einen kurzen Moment rang er mit seinem Gewissen. Sollte er nicht eigentlich den Anführern des Rudels Bescheid geben? Schließlich hungerten sie alle, mehr oder weniger.
Ein erneuter, diesmal ganz besonders schmerzhafter Krampf seines Magens ließ ihn sofort anders darüber denken. Eine weitere Regel des Rudels besagte doch, dass Rücksichtnahme Schwäche bedeutete. Also fackelte er nicht mehr lange, kehrte den anderen den Rücken - und marschierte mitten hinein in den dunklen Seitengang.
Dorthin, wo sich die Quelle dieser verheißungsvollen neuen Witterung befinden musste, die ihn fast um den Verstand brachte...
*
Keeva wischte sich Erdbrocken aus dem Gesicht und unterdrückte ein Würgen. Gott, was war das nur für ein Gestank!
Nachdem Shane aus der Gruft geklettert war, hatte sie einige Minuten gebraucht,
Weitere Kostenlose Bücher