Keeva McCullen 4 - Tödliche Fesseln (German Edition)
mehr - und sie hatte sich bereits gefragt, was sie danach zu sich nehmen sollte. Wie es schien, war dieser unerwartete Eindringling die Antwort. So gesehen kam er eigentlich gerade recht.
In Erwartung eines üppigen Mahles zwängte sie ihren dicken Hinterleib schneller durch den engen Gang, in Richtung des Tunnels, aus dem sie den Todesschmerz ihres Kindes wahrgenommen hatte.
Wer auch immer sich dort eingeschlichen hatte: er verdiente unbarmherzige Bestrafung für seinen Frevel - und sie verdiente es, sich endlich einmal ausgiebig satt essen zu können …
*
„Wie konnte sie das merken?“, flüsterte Keeva. „Oder meinst du, das war vielleicht nur ein Zufall?“
Sie bewegten sich nur noch mit äußerster Vorsicht. Seit Keeva die Jungspinne zertreten hatte, waren sie kaum vorangekommen.
„Ich glaube nicht, dass das ein Zufall war“, erwiderte Shane leise. „Wenn Magie im Spiel ist, dann überträgt sie sich normalerweise - etwas abgeschwächt - auch auf die Nachkommen. Die ja offensichtlich ganz schön zahlreich sind ...“, fügte er grimmig hinzu, als sie vor einem besonders undurchdringlichen Gewirr von Netzen und darin herum kriechenden Spinnen stehenbleiben mussten.
„Da ist keine Lücke“, stellte Keeva zutreffend fest.
Shane nickte nur. Er ließ das Messer, dessen Halterung an seinem rechten Unterarm befestigt war, hervorschnellen und zerteilte damit vorsichtig den dichten, klebrigen Vorhang. Die Klinge blieb immer wieder an den Fäden haften, doch schließlich konnte er die Seiten des aufgeschnittenen Teiles auseinanderziehen, wobei ihm hunderte von aufgebrachten Spinnen über die Arme liefen. Er verzog das Gesicht, sagte aber noch immer nichts. Er wirkte besorgt.
Keeva schluckte, zögerte kurz und schritt dann durch den so geschaffenen Durchschlupf. Dahinter war das Gewirr der Netze wieder etwas weniger dicht. Sie atmete auf und half nun ihrerseits Shane, durch die Lücke zu kommen, indem sie die Flanken des wütend bebenden Gewebes beiseite zog.
Sobald Shane neben ihr stand, ließ sie das klebrige Zeug angewidert los. Sie nahm die Taschenlampe von ihrem Gürtel und schaltete sie an. Bisher hatte sie darauf verzichtet - manche Dinge wollte man gar nicht so genau erkennen -, doch hier hinten war es jetzt viel zu düster. Die wenigen, gelblich schimmernden Lampen der elektrischen Beleuchtung waren so sehr von Spinnweben überzogen, dass sie nur noch als orangene Schemen wahrnehmbar waren. Ihr Licht war nicht mehr in der Lage, diesen Tunnelbereich auch nur ansatzweise zu erhellen.
Sie erschrak, als sie jetzt - im strahlend hellen Licht der Taschenlampe - überdeutlich jedes Detail der dichten Netze vor sich sah.
„Mein Gott, das müssen ja Tausende sein!“, entfuhr es ihr, lauter als beabsichtigt. „Und wie groß sie hier schon sind ...“
Die Netze hier hinten befanden sich hauptsächlich in Bodennähe und waren trichterförmig angelegt, lauter kleine Höhlen. Von den Wänden und Decken hingen zwar auch Netze, doch deutlich weniger als an der Strecke hinter ihnen. Die Spinnen jedoch, die hier überall herum huschten, waren alle mindestens so groß wie die, die Keeva zertreten hatte.
Sie schüttelte sich und spürte kurz darauf Shanes Arm, der sich schützend um ihre Schultern legte. Für einen kurzen Augenblick gönnte sie sich den Trost und lehnte sich an ihn.
„Bereust du es, mitgekommen zu sein?“, fragte er sanft.
Sie dachte kurz nach, schüttelte dann aber den Kopf.
„Nein“, sagte sie. „Ich habe Angst, das ja. Aber ich wäre mir feige vorgekommen, wenn ich dich bei dem hier alleine gelassen hätte.“
Shane drückte sie kurz an sich und sie spürte für einen Sekundenbruchteil seine Lippen an ihrer Schläfe. Sie wollte noch etwas sagen, doch er hatte sie bereits wieder losgelassen.
„Wir müssen weiter“, sagte er mit einem drängenden, etwas nervösen Unterton. „Wir sind nicht mehr weit weg von der Mitte, denke ich. Und die Mutterspinne weiß bereits, dass wir hier sind.“
Keeva nickte.
„Du hast recht. Glaubst du, sie könnte fliehen?“
Ein leises Lachen erklang von ihrer Seite.
„Wohl kaum“, meinte Shane. „Wer auch immer diese Kreatur erschaffen hat, er hat sie höchstwahrscheinlich nur mit gerade mal soviel Intelligenz ausgestattet, dass sie möglichst effektiv töten kann. Das ist ihr einziger Daseinszweck, Flucht ist sicherlich nicht vorgesehen.“
Keeva sah, wie er sich gebückt weiterbewegte. Geschickt wich er den riesigen Spinnenkindern aus,
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