Keeva McCullen 5 - Kuss der Pandora (German Edition)
schlagartig klar, dass es noch eine andere Richtung gab, in die der Dämon hatte verschwinden können ...
*
Kichernd ließ sich der Dämon vom oberen Regal fallen. Bei seiner kurzen Kletterpartie hatte er sich zwar die Seidenstrümpfe am linken Unterschenkel zerrissen, aber ansonsten war er ohne größere Schwierigkeiten in das obere Boot gelangt und hatte dort auf seinen Besucher gewartet.
Er war ein wenig erstaunt gewesen, als er erkannt hatte, dass nicht der zweite Ruderer in den Schuppen gekommen war, sondern ein ihm unbekannter junger Mann. Doch es war egal – auch dieser hier sah sehr appetitlich aus. Zudem tat er ihm den Gefallen, seine Waffe – ein scharf wirkendes Messer – unübersehbar in der ausgestreckten rechten Hand zu halten, so dass der Dämon bei seinem Angriff gleich nach dem Handgelenk des Unbekannten greifen und dessen Arm samt Messer auf den Boden pressen konnte.
Der junge Mann stieß einen erstickten Schrei aus und versuchte sogleich, sich aus dem Griff des Dämons zu entwinden, doch er hatte keine Chance. Gegen soviel geballte Blutenergie kam ein einzelner Mensch nicht mehr ohne magische Hilfsmittel an.
Erneut lachte der Dämon und beugte sich vor, um in die deutlich pulsierende Halsschlagader seines Fangs zu beißen, als er einen Stich in seiner rechten Schulter verspürte.
Erstaunt sah er in Richtung des Schmerzes und entdeckte einen silbernen Bolzen, der ihm aus dem Oberarm ragte. Er blickte nach vorn, direkt in die Augen einer jungen Frau, die in Schussposition nicht weit entfernt vor ihm kniete und eine kleine Handarmbrust in den ausgestreckten Händen hielt. Wo war die denn auf einmal hergekommen? Er hatte sie nicht gehört. Wie er dieses schlechte Gehör hasste!
Sie beobachtete ihn aufmerksam, entschlossen, jeden Augenblick einen weiteren Bolzen auf ihn zu feuern, wenn es nötig sein sollte – doch der Dämon spürte bereits, wie er die Kontrolle über seinen Körper verlor und langsam zur Seite kippte. Dann wurde es schwarz um ihn ...
*
Keeva war in wenigen Schritten bei Shane und der alten Frau, die regungslos auf dem Boden lag. Die Leiche daneben ignorierte sie – ihre ganze Sorge galt Shane.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie, während sie ihm beim Aufstehen half. „Ich habe deinen Schrei gehört und bin gleich losgelaufen.“
Shane schüttelte sich benommen.
„Gerade noch rechtzeitig, wie mir scheint“, sagte er. „Sie ... er hat sich oben in den Regalen versteckt. Damit habe ich nicht gerechnet. Ein böser Fehler ...“
„Ein verzeihlicher Fehler“, meinte Keeva. „Ich hätte wohl auch nicht daran gedacht.“
Sie betrachteten den betäubten Dämon.
„Er sieht in dieser Gestalt wirklich ganz schön harmlos aus“, meinte Keeva.
„Ja, wenn das Blut um den Mund, an den Händen und auf der Bluse nicht wäre“, erwiderte Shane trocken. „Komm, wir müssen ihn fesseln, ehe die Wirkung des Mittels nachlässt. Ich habe gerade eben die wahre Kraft dieses Monsters zu spüren bekommen. Glaub mir, er ist um einiges stärker, als er aussieht.“
Keeva holte die silbernen Handschellen aus der Jackentasche und legte sie um die dünnen Handgelenke der alten Dame. Dann zog sie noch zwei magisch behandelte Ketten aus demselben Material heraus und wickelte sie um Hand- und Fußgelenke. Als sie damit fertig war, stand sie auf – und stieß einen leisen Schmerzensschrei aus.
„Was ist, hast du dich verletzt?“, fragte Shane sofort.
Keeva schüttelte den Kopf.
„Nein, das nicht“, sagte sie. „Aber mein Fußknöchel protestiert mal wieder.“
Bei einem Sturz vor einigen Wochen hatte Keeva sich den Knöchel böse verletzt – und seitdem immer wieder Probleme mit ihrem Fuß.
Shane legte ihr die Hand auf die Schulter.
„OK, dann bleibst du hier und bewachst den Dämon“, sagte er. „Ich laufe nach draußen, sagte Edward Bescheid und komme gleich wieder zurück. Wenn das in Ordnung ist.“
Keeva nickte dankbar.
„Ja, danke“, sagte sie. „Edward soll auch Großvater anrufen und ihm mitteilen, dass wir den Dämon haben.“
Jetzt erst warf sie einen scheuen Blick auf die Leiche des jungen Mannes, die neben ihr auf dem Boden des Ganges lag.
„Und beeil dich, bitte“, flüsterte sie.
Shane trat zu ihr, küsste sie sanft auf die Stirn, drehte sich um und lief aus dem Gebäude. Keeva sah ihm hinterher.
*
Der Dämon kam langsam wieder zu Bewusstsein. Ihm war immer noch nicht ganz klar, was eigentlich gerade geschehen war – aber
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