Keeva McCullen 6 - Der Wiedergänger (German Edition)
nächtlichen Rituals beseitigt und sämtliche Gegenstände eingepackt gehabt. Gemeinsam waren sie in das Dorf zurückgekehrt, hatten sich vor dem Haus von den beiden alten Leuten voneinander verabschiedet und für den frühen Nachmittag einen Besuch vereinbart. Und hier saßen sie nun, bewirtet mit Tee und frischgebackenem Kuchen. Keeva hatte zwar den ganzen Vormittag geschlafen, trotzdem fühlte sie sich wie gerädert.
„Wer weiß das schon“, griff Shane achselzuckend James' Frage auf. „Es kommt immer wieder mal vor, dass ein Verstorbener aus dem Reich der Toten zurückkehrt und dann als Wiedergänger sein Unwesen treibt. Früher haben die Menschen noch verschiedenste Vorkehrungen getroffen, um sich davor zu schützen.“
James Morgan wirkte leicht verlegen, als er sagte: „Ja, ich weiß. Hier im Dorf werden die Toten schon seit Urzeiten mit dem Gesicht nach unten begraben. Zudem werden traditionell mindestens vier Kieselsteine in den Sarg gelegt. Es heißt, der Untote müsse diese erst zählen, bevor er sein Grab verlassen kann. Und da er vom Teufel besessen ist ...“
„ … kann er die geheiligte Zahl drei nicht aussprechen, ja nicht einmal denken“, vollendete Shane nickend den Satz.
James Morgan wurde noch röter.
„Das darf man eigentlich niemandem erzählen“, sagte er. „Sonst hält man uns für noch rückständiger, als manche es sowieso schon tun.“
Keeva lachte laut.
„Da müssen Sie sich bei uns aber keine Gedanken machen“, sagte sie amüsiert. „Wir wissen schließlich, dass das nichts mit Rückständigkeit zu tun hat.“
„Und außerdem solltest du nicht immer dein Erbe verleugnen, James Morgan“, fügte Phoebe mit gespielter Strenge hinzu.
Sie war in diesem Moment wieder aus dem Haus in den Garten getreten, nachdem sie ihrer Tochter beim Zubettgehen geholfen hatte. Sie setzte sich auf ihren Stuhl und nahm sich noch ein Stück von dem Kuchen.
„Du bist der Enkel einer der ehemals mächtigsten weißen Hexen der Gegend, hast heute Nacht ein gefährliches Monster … nun ja, zumindest aus seiner Deckung gelockt ...“ - sie grinste und zwinkerte mit den Augen - „und tust immer noch so, als wäre der Glaube an Geister und Dämonen nichts als ein Hirngespinst von ungebildeten, zurückgebliebenen Wilden.“
Ihr Mann zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Ihr habt ja Recht“, gab er zu. „Aber jetzt bin ich zu alt, um noch in die Fußstapfen meiner Großmutter zu treten. Wenigstens sehe ich nun ein, dass nicht alles Unsinn war, was sie erzählt und getan hat.“
Phoebe lächelte vielsagend.
„Das ist schon einmal gut“, sagte sie versöhnlich. „Aber es wäre trotzdem sehr schade, wenn die Hinterlassenschaften von Amelia Morgan so ungenutzt bleiben würden.“
Ihr Blick fiel wie zufällig auf Keeva - und Keevas Herzschlag beschleunigte sich. Sie wird doch wohl nicht …., dachte sie. Und dann: Nein, das kann sie nicht tun, das ist das Erbe ihres Mannes. Oder etwa doch? Oh, das wäre großartig ...
„Hier haben wir zum Beispiel eine vielversprechende junge Frau“, sprach Phoebe weiter, während sie auf Keeva deutete, „die bereits alle Anlagen für eine weiße Hexe in sich trägt. Zudem hat sie Mut, besitzt eine umfassende Ausbildung im Kampf gegen das Böse und hat in dem jungen Mann neben sich einen Partner gefunden, der sie in all diesen Belangen unterstützt. Die beiden sind ein hervorragendes Team ...“
Sie verstummte und sah ihren Mann auffordernd an. Er schien zuerst nicht zu wissen, worauf sie hinaus wollte, doch dann nahm sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an.
„Du meinst ...“, sagte er.
Seine Frau nickte kräftig.
„Oh ja, ich meine“, sagte sie. „Ich gehe jetzt ins Haus und hole die Utensilien deiner Großmutter, um sie an Keeva weiterzureichen. Sie kann sie wesentlich besser gebrauchen als du, davon bin ich felsenfest überzeugt.“
*
Keeva konnte ihr Glück kaum fassen, als sie wenige Minuten später das handgeschriebene Zauberbuch der großen, weißen Hexe in die Hand gedrückt bekam.
„Danke“, stammelte sie und streichelte den ledernen Einband des Buches. „Was für ein unbezahlbar wertvolles Geschenk.“
Phoebe Morgan ließ es sich außerdem nicht nehmen, Keeva das Amulett von James´ Großmutter eigenhändig um den Hals zu hängen. Keevas Finger glitten sanft über das fein gearbeitete Silber, als das Schmuckstück sich kühl an ihre Haut schmiegte.
„Danke“, flüsterte sie noch einmal, vollkommen
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