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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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und ich müsste sie auf ihre Funktionstüchtigkeit prüfen. Mit der Linken streiche ich über gänzlich unversehrte Haut und schüttele den Kopf.
    »All die vielen Brandopfer bei Katastrophen«, flüstere ich. »In der Dritten Welt, zum Beispiel. Warum betet die denn keiner gesund?«
    Die Panik, die mich angesichts der vielen Vorbereitungen am Morgen ergriffen hat, breitet sich jetzt, eine Stunde vor der offiziellen Eröffnung, immer weiter aus. Dabei ist alles rechtzeitig fertig geworden. Ich habe sogar noch Zeit gefunden, nach Belgien hinüberzuhuschen, um mich mithilfe der Kosmetikindustrie in eine strahlende Gastgeberin zu verwandeln.
    Aber anstatt mich sofort voller Vorfreude in die Dusche und auf mein Make-up zu stürzen, sitze ich auf meinem Bett und kann nur daran denken, dass wir heute Nacht wahrscheinlich auf einem Haufen delikater Häppchen sitzen bleiben werden. Dass wir uns schon am Eröffnungstag auf die Beerdigung unseres Restauranttraums vorbereiten können.
    »Der Weg ist das Ziel«, murmele ich vor mich hin, und was kommt am Ende des Weges? Vielleicht ein Häuflein von fünf neugierigen Leutchen, die sich für den Einlass-Obolus von zehn Euro satt essen wollen und sich den ganzen Abend an einem Bier festhalten. Nein, der Eifeler trinkt gern und viel.
    Wir haben in allen unmittelbar benachbarten Orten von NRW, Rheinland-Pfalz und Belgien Flyer verteilt, also in Hallschlag, Stadtkyll, Jünkerath, Prüm, Hellenthal, Büllingen, Dahlem, Kronenburg, Krewinkel, Scheid, Weckerath, Ormont, Roth, sogar in Bleialf und Sankt Vith Plakate aufgehängt und alle Leute, die wir kennen, informiert. Da wurde dann von unverschiebbaren Kartenspiel-, Kegel- und Jägerabenden gemurmelt, von kranken Kühen und unbetreuten Kindern, von der Angst vor Gewitter, bei dem man natürlich zu Hause bleiben müsse, falls es im Stall einschlage, von der letzten Gelegenheit, vor dem nächsten Regen den ersten Silo zu machen, von der dementen Großmutter, die gern mit Kerzen Weihnachten spielt, von kein Auto zu Hause und in einem Fall von einem überfällig trächtigen Hängebauchschwein. Eine richtige Absage hat uns niemand erteilt. Alle versicherten, für gut essen zu gehen kämen sie ja vielleicht trotzdem. Wenn nicht heute, dann ganz bestimmt morgen, wo es dann auch nicht so voll wäre und man weniger Gefahr laufe, am Buffet der verfeindeten Nachbarin zu begegnen, die angekündigt habe, ganz bestimmt die Einkehr am Eröffnungsabend aufzusuchen. Auf dieser Nachbarin, wer immer sie sein mag, ruhen jetzt meine Hoffnungen.

3_ERÖFFNUNG
Donnerstagabend
    Als ich eine Stunde später die Bundesstraße nach Deutschland überqueren will, nähern sich von rechts zwei Scheinwerfer. Gut, denke ich, die ersten Gäste, wahrscheinlich aus Prüm, hat die Plakataktion doch geholfen. Die einladende Lichterkette, die Marcel und Jupp inzwischen vor dem Restaurant gespannt haben, ist nicht zu übersehen. Das Auto rauscht heran und donnert mit mindestens hundertzwanzig Stundenkilometern an mir vorbei.
    »Siebzig!«, brülle ich den Rücklichtern hinterher und bedauere, dass die Straße zu Deutschland gehört. Wäre sie wie der Randstreifen auf belgischem Hoheitsgebiet, hätte Marcel jetzt eine für die Einkehr strategisch interessante Radarfalle aufstellen können.
    Das Restaurant ist noch leer, doch bis zur offiziellen Eröffnung bleibt eine Viertelstunde.
    Gudrun hat sich in Schale geworfen. Über schwarzen Seidenhosen trägt sie eine rosa Tunika, die unter der Brust gerafft ist. Eine Mode, die Menschen meiner ausladenden Statur durchaus steht, aber bei schmaleren wie bei Gudrun Gedanken an Schwangerschaft aufkommen lässt. Obwohl auch sie inzwischen aus dem Alter heraus sein dürfte. Kein Hinderungsgrund, den Mann fürs Leben anzupeilen. Ihre letzten beiden Kandidaten waren leider Männer fürs Sterben.
    Ich betrachte David, den jetzigen Mann an ihrer Seite. Besser gesagt, an ihrem Ohrläppchen, das er gerade hingebungsvoll anknabbert. David wird leben. Wenn auch wahrscheinlich nicht auf Dauer mit ihr zusammen. Woher ich das weiß?
    Keine Ahnung – es ist nur ein Gefühl, so ein magengrubiges, dass David nicht Gudruns wegen hier ist, auch nicht wegen seines neu ererbten Besitzes. Er erweckt auf mich den Eindruck eines abwartenden Menschen, so, als stehe er bereit, einen Auftrag zu erfüllen. Aber für wen, warum und weshalb in diesem abgeschiedenen Gebiet? Wahrscheinlich macht mich sein Ordnungssinn kirre, die Korrektheit, mit der dieser angebliche

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