Kehraus fuer eine Leiche
machen. Was die wunderschön schlanken Schwestern Prönsfeldt belastet, kann ich angesichts ihres autoritären Vaters nur erahnen, nehme mir aber vor, dahinterzukommen. Es widerstrebt mir jedoch, Menschen mit ungewöhnlichem Benehmen einfach als Verhaltensgestörte abzustempeln, wie Hein das soeben getan hat.
»Ach, da spricht der große Gastraumpsychologe«, raunze ich ihn also an.
»Die Mädchen sind so viele Menschen eben nicht gewöhnt«, sagt Jupp. »Sie sind nur schüchtern. Komm, gib mir die Eier, Katja, ich stelle sie in die Küche.«
»Danke, Jupp. Und dann macht, dass ihr nach Hause kommt«, setze ich nach.
Als sich die Tür hinter den beiden schließt und ich die Außenbeleuchtung abgestellt habe, legt sich die Stille im Haus wie ein feindliches Ungeheuer über mich. Kaum zu glauben, aber Gudruns verliebtes Geplapper fehlt mir ebenso wie Davids amerikanisch eingefärbtes Deutsch. Der modern, aber dennoch behaglich eingerichtete leere Gastraum wirkt abweisend; die nackte Garderobe obszön, die saubere Edelstahlküche fremd. Im Flur stolpere ich fast über den schlafenden Linus, als ich die bescheuert schwere Brandschutztür zur heute unbenutzt gebliebenen Damentoilette aufstoße. Die Spülung ist repariert. Missmutig starre ich den Eimer für Hygieneartikel an, dessen Fehlen mir beim ersten Besuch der Dame vom Ordnungsamt angekreidet wurde und die Eröffnung um eine weitere Woche verzögert hat. Dieser Eimer stand als erster Punkt auf der Prioritätenliste der Behörde, die für die Abnahme des Gastronomiebetriebes zuständig ist. Auf meine Frage, worum es denn bei einem Restaurant eigentlich gehe, ging die Dame gar nicht erst ein. Aber worum geht es überhaupt im Leben?
Um Liebe, Familie, Geborgenheit, würden die meisten Menschen wohl sagen. Ich bin längst zu dem Schluss gekommen, dass es um gar nichts geht und das Leben eigentlich völlig sinnlos ist. Aber da ich nun mal da bin und es zu aufwendig finde, dies zu ändern, mühe ich mich, keinen anderen in seinem Sein zu stören und diejenigen in meinem – soweit es in meiner Macht steht – zu erfreuen. Das gelingt mir am besten durch die Zubereitung delikater Speisen. Deshalb habe ich ein Restaurant eröffnet, wenn auch, unter anderem wegen des fehlenden Hygieneeimers, ein ganzes Stück später als ursprünglich geplant.
Ich kehre in die Küche zurück. Scheinwerfer erhellen das Fenster und mein Gemüt. Mit Gästen rechne ich nicht mehr, aber mit Marcel.
Natürlich hatte ich ihn gleich am Mittag angerufen und ihm von dem Überfall auf David erzählt. Er war entsetzt, konnte sich auch keinen Reim auf das Geschehen machen, sah aber keine Verbindung zu seinem Fall. Ich erwähnte den Kölner Geländewagen, hatte mir aber weder Nummer noch Fabrikat gemerkt, nicht mal die Farbe. Matschgrün oder Schlammgrau. Sicher war ich nur, dass ich dieses Auto in der Nachbarschaft noch nie gesehen hatte und dass es keinem der Kampfmittelräumer gehörte. Marcel notierte sich alles, versprach, sich bei seinen deutschen Kollegen umzuhören und dort ein wenig Dampf zu machen.
Leider würde er erst spät am Abend auf die Kehr kommen können, woran ich nicht ganz unschuldig wäre. »So verdreckt, wie dein Auto ist, kann es Ewigkeiten dauern, bis relevante Spuren ausgewertet sind und wir sie einordnen können«, meinte er. Erst als ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich die Sache mit meinem Santoku-Messer nicht erwähnt hatte. Ich überlegte kurz, noch einmal anzurufen, hatte aber keine Lust, mir eine weitere Schelte einzufangen. Sogar Marcel würde später bestimmt verstehen, dass ich zurzeit anderes um die Ohren habe, als mir Gedanken über ein verschwundenes Küchenmesser zu machen. Ist ja wirklich sehr abwegig, dass ausgerechnet mit meinem japanischen Edelmesser ein Kölner im belgischen Eiterbach erstochen worden sein soll. Wahrscheinlich ist es aus Versehen in den Müllsack gerutscht und längst von irgendwelchen Pressen zur Harmlosigkeit zermalmt worden.
Als ich vor die Tür gehe, steigt Marcel zu meiner Enttäuschung aus dem Polizistenjeep. Der Motor läuft noch.
»Bist du hier schon fertig?«, fragt er erstaunt.
»Wir haben früher zugemacht«, erwidere ich ausweichend. »War genug los heute. Was ist mit meinem Auto?«
»Wird noch untersucht. Die Spusi muss sich durch viele Lagen von Dreck und Bratsch arbeiten. Unglaublich, dass ihr in so einem ekeligen Pkw Lebensmittel transportiert.«
»Da wäre in Belgien sicher wieder eine saftige Geldbuße
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