Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)
Departements, wo noch einige Funken unserer Bürgerkriege glommen, eine Mission zu erfüllen hatte.
Als er die Gegend durchforschte, in der seine hinterlistige Zusammenarbeit mit den von England und dem Grafen von Lille angesponnenen Intrigen ihm das Vertrauen der Familien, die der durch das Genie unseres unsterblichen Kaisers besiegten Partei anhingen, verschafften, begegnete er einem früheren Anführer der Rebellen, zu dem er seit der Unternehmung von Quibéron und der letzten Erhebung der Rebellen im Jahre VII als Abgesandter des Auslandes Beziehungen hatte. Er bestärkte den großen Agitator, der seine Komplotte gegen den Staat mit dem Tode gebüßt hat, in seinen Hoffnungen. So vermochte Bryond die Geheimnisse dieser unverbesserlichen Partei zu erfahren, die den Ruhm Seiner Majestät des Kaisers Napoleon I. und damit die wahren Interessen des Landes, die in seiner geheiligten Person vereinigt sind, verkannte.
Im Alter von sechsunddreißig Jahren, tiefste Frömmigkeit heuchelnd, eine grenzenlose Ergebenheit für die Interessen des Grafen von Lille und eine anbetungsvolle Ergebenheit für die Insurgenten, die ihren Tod bei den Kämpfen im Westen gefunden hatten, wußte er geschickt die Anzeichen seiner erschöpften Jugendkraft, die sich noch durch einige äußerliche Vorzüge empfahl, zu verbergen; und aufs beste unterstützt durch das Schweigen seiner Gläubiger und durch eine unerhörte Gefälligkeit der Junker des Landes, ließ sich dieser Mensch, ein wahres übertünchtes Grab, mit großen Ansprüchen auf Berücksichtigung bei der Dame Lechantre, die für sehr reich galt, einführen.
Man machte ein Komplott, um diesen Schützling der Junker die einzige Tochter der Frau Lechantre, die junge Henriette, heiraten zu lassen.
Priester, frühere Adlige, Gläubiger, jeder aus anderen Beweggründen, die bei den einen loyal waren, bei den andern auf Habgier beruhten, für deren Folgen aber die Mehrzahl blind war, – alle arbeiteten zusammen, um die Heirat Bernhard Bryonds mit Henriette Lechantre zustande zu bringen.
Die Vorsicht des Notars, der die Geschäfte der Frau Lechantre führte, und vielleicht auch etwas Mißtrauen waren die Veranlassung, daß die junge Dame ins Verderben gestürzt wurde. Herr Chesnel, der Notar von Alençon, schloß die Besitzung Saint-Savin, das einzige, was die künftige Ehefrau besaß, von der Gütergemeinschaft aus, wobei er der Mutter die Wohnung und eine bescheidene Rente vorbehielt.
Die Gläubiger, die bei der Dame Lechantre auf Grund ihres Ordnungssinnes und ihrer Sparsamkeit erhebliche Kapitalien vermuteten, sahen sich in ihren Erwartungen getäuscht; alle hielten die Dame für geizig und gingen nun gegen Bryond vor, dessen prekäre Lage jetzt offenbar wurde.
Es brachen scharfe Zwistigkeiten zwischen den jungen Ehegatten aus, bei denen der jungen Frau die Verdorbenheit, die religiöse und politische Gottlosigkeit und – darf ich es sagen? – die Niederträchtigkeit des Mannes klar wurden, an den ihr Geschick so verhängnisvoll geknüpft war. Bryond sah sich genötigt, seine Frau in das Geheimnis der verabscheuungswürdigen Komplotte gegen die kaiserliche Regierung einzuweihen und in seinem Hause Rifoël du Vissard ein Asyl anzubieten.
Der abenteuerliche, tapfere, edelmütige Charakter Rifoëls übte auf alle, die ihm nähertraten, eine verführerische Anziehung aus, wofür eine Unzahl von Beweisen in den Strafprozessen vorliegen, die vor den drei Sondergerichtshösen in Strafsachen geführt worden sind.
Sein unwiderstehlicher Einfluß, seine absolute Herrschaft über eine junge Frau, die sich in einen Abgrund gestürzt sah, wird nur zu deutlich bei der Katastrophe, deren Schrecken sie als Bittflehende vor den Stufen des Thrones niederknien läßt. Was aber die Kanzlei Seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät leicht feststellen kann, das ist die niederträchtige Bereitwilligkeit Bryonds, mit der er, weit entfernt, seine Pflicht als Führer und Berater des Kindes, das eine betrogene Mutter ihm anvertraut hatte, zu erfüllen, eine Freude daran fand, das Band der Intimität zwischen der jungen Henriette und dem Rebellenführer nur noch enger zu knüpfen.
Der Plan dieses verabscheuungswürdigen Menschen, der sich rühmt, alles zu verachten und jede Sache nur unter dem Gesichtspunkte seiner Gelüste zu betrachten und der die moralischen und religiösen Vorschriften nur als leicht zu beseitigende Hindernisse betrachtet, dieser Plan war folgender:
Es muß zunächst betont
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