Kein Alibi: Roman (German Edition)
Magen dagegen aufgelehnt. Er hatte den Alkoholkonsum von gestern Abend und die morgendliche Selbstverachtung nicht verdaut.
Außerdem hätte sie sich ein Essen in einem ordentlichen Restaurant nicht einmal leisten können, rief sie sich verdrossen ins Gedächtnis. Denn obwohl sie die Kreditkartenfirmen über den Diebstahl informiert hatte, würde es Tage dauern, bevor sie Ersatzkarten erhielt. Zum Glück war ihr wieder eingefallen, dass sie sich etwas Bargeld in die Jackentasche gesteckt hatte. Es war zwar nur ein Bruchteil jenes Betrags, den Eddie gestohlen hatte, aber wenn sie sich einschränkte, würde sie damit bis nach Hause kommen.
Warum also nicht die Sache ein für alle Mal abschreiben und abreisen?
Charleston war ihr für immer verdorben. Die schwüle Hitze, die gestern das romantische Flair der Stadt noch gesteigert hatte, machte sie inzwischen gereizt und verursachte Kopfweh. Falls sie bis zum geplanten Termin blieb, würde sie sich keinerlei Ausflüge oder Attraktionen leisten können. Nur mit weniger Übernachtungen ließe sich ihre Hotelrechnung verringern.
Der gesunde Menschenverstand riet ihr, am folgenden Tag nach Indianapolis zurückzukehren. Die Fluggesellschaft würde ihr zwar einen Ticketumtausch extra berechnen, aber dieses Geld wäre es wert. Dann könnte sie sich in ihr sicheres Häuschen mit den beiden Katzen und der vertrauten Einrichtung zurückziehen und bis zum Schulbeginn im Herbst ihre Wunden lecken. Allmählich würden dann Arbeit und Routine den hässlichen Vorfall aus ihrem Gedächtnis drängen.
So oder so war es Zeit- und Energieverschwendung, sich auf der Suche nach Eddie durch Charleston zu schleppen.
Andererseits zöge er vermutlich gerade jetzt seine Schwindelarie bei einer anderen einsamen Dame ab, die morgen früh ohne Geldbörse und Selbstrespekt aufwachen würde, während sie in ihren unbequemen Lacklederschuhen daherhumpelte und sich mit Blasen an den Füßen abquälte. Niemand würde je etwas über dieses Verbrechen erfahren, da das Opfer sich viel zu sehr schämte, um bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Deshalb konnte Eddie auch mit derartiger Arroganz auftreten. Er wusste, dass er damit durchkam.
Nun, diesmal würde er nicht durchkommen. »Nicht, wenn ich’s verhindern kann«, sagte Ellen Rogers laut.
Ihr Entschluss stand erneut fest, und so betrat sie den nächsten Nachtclub.
Hammond rutschte gegenüber von Loretta in die Nische. »Was hast du für mich?«
»Kein ›Hallo‹ oder ein ›Wie geht’s‹?«
»Mir ist für heute jede Höflichkeit vergangen.«
»Du siehst beschissen aus.«
»Du aber auch«, lächelte Hammond grimmig. »Eigentlich fällt heute schon zum zweiten Mal jemandem mein mieses Aussehen auf. Damit hat mein Tag angefangen.«
»Was stimmt denn nicht?«
»So viel Zeit hast du nicht. Und mir geht allmählich selbst die Zeit aus. Also, hast du nun etwas für mich?«
»Ich habe dich doch angerufen, nicht wahr?«, gab sie zurück.
Er nahm es ihr nicht übel, dass sie beleidigt reagierte. Er benahm sich wirklich wie ein Vollidiot. Nach seinem Besuch bei Davee war er noch unruhiger als zuvor. Nachdem er ins Auto gestiegen war und übers Handy seinen Anrufbeantworter abgehört hatte, war er über Lorettas Stimme nicht wirklich froh gewesen. Sie beschwor ihn, er solle sich, so schnell wie möglich, mit ihr in der Shady Rest Lounge treffen. Ein Treffen mit ihr bedeutete, einen Tag zu verlängern, den er am liebsten beendet hätte. Merkwürdigerweise hatte er vor dem Ergebnis ihrer Suche Angst.
Mit einem tiefen Seufzer entschuldigte er sich kopfschüttelnd. »Loretta, ich habe zwar eine beschissene Laune, aber die sollte ich nicht an dir auslassen.«
»Du brauchst was zu trinken.«
»Deine Lösung für alles.«
»Nicht für alles. Nicht auf lange Sicht, aber gegen schlechte Stimmung kann es wie ein Heftpflaster wirken.« Sie bestellte ihm einen Bourbon mit Wasser.
In weniger als einer Minute hielt er den Drink in den Händen und nahm einen kleinen Schluck. »Du siehst gut aus.«
Sie lachte mit einem Schluck Mineralwasser im Mund. »Vielleicht wenn man mich durch den Boden eines Longdrinkglases betrachtet.«
Seit Montagnacht hatte sich an ihr einiges bemerkenswert verbessert. Sie war weit besser gepflegt, ihre Kleidung sauber und frisch gebügelt. Korrekt aufgetragenes Make-up hatte ihre Gesichtsfalten gemildert. Ihre Augen waren hell und klar. Trotz ihres Versuchs, sein Kompliment mit einem Lachen abzutun, wusste er ganz genau, dass
Weitere Kostenlose Bücher