Kein Alibi: Roman (German Edition)
Charleston und Umgebung kannte man ihn als begehrenswerten Junggesellen aus reichem Hause mit einer viel versprechenden Zukunft. Scharenweise suchten Singlefrauen seine Gesellschaft. Potenzielle Schwiegermütter betrachteten ihn als exzellenten Fang.
Seine eigene Mutter arrangierte ständig Bekanntschaften mit den Töchtern und Nichten ihrer Freundinnen. »Sie ist eine reizende junge Frau aus einer wunderbaren Familie.« – »Ihre Leute stammen aus Georgia. Machen in Holz, vielleicht ist es auch Gummi. Irgend so etwas.« – »Sie ist einfach ein ganz besonderes Mädchen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr beide viel gemeinsam habt.« Eine flapsige Antwort würde Davee vermutlich davon überzeugen, dass es auch diesmal nichts Ernsteres war.
Aber Davee war seine älteste Freundin, und er hatte das Lügen satt. Langsam setzte er sich auf die Kante der Chaiselongue und verschränkte die Hände zwischen den gespreizten Beinen. Seine Schultern sackten leicht nach vorne.
»Lieber Himmel«, sagte sie, wobei sie ihren Drink aufnahm, »ist es tatsächlich so schlimm?«
»Sie ist keine Trophäe. Und was das andere betrifft: Ob sie etwas Besonderes sein könnte oder nicht, das weiß ich nicht.«
»Ist’s noch zu früh dazu?«
»Zu kompliziert.«
»Ist sie verheiratet?«
»Nein.«
»Wieso ist es dann kompliziert?«
»Mehr als das. Unmöglich.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Davee, ich kann darüber nicht reden.« Es klang schärfer als beabsichtigt. Irgendwie musste sein Tonfall ihr klar gemacht haben, wie heikel dieses Thema war.
Jedenfalls gab sie klein bei. »Okay, aber wenn du einen Freund brauchst …«
»Danke.« Er griff nach ihrer Hand, schob die Armreifen zurück und küsste sie innen aufs Handgelenk. Während er mit den Fingern geistesabwesend das Muster in einem ihrer Armreifen nachzog, fragte er: »Womit habe ich mich verraten?«
»Mit deinem Benehmen.«
Er ließ ihre Hand fallen. »Mit meinem Benehmen?« »Als ob ihr zur Zwangskastrierung anstündet und du als Nächster an der Reihe wärst.« Sie ging zum Barwagen am Ende des Zimmers und mixte sich einen neuen Drink. »Als ich dich gestern auf dem Begräbnis sah, wusste ich sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist. Bezüglich deiner Karriere läuft alles großartig, was teilweise mir zu verdanken ist. Deshalb dachte ich mir, dass du Herzschmerzen hast.«
»Es ist beunruhigend, wie leicht man mich durchschauen kann.«
»Entspann dich. Wahrscheinlich ist es außer mir keinem aufgefallen. Einerseits kenne ich dich gut, und außerdem sind mir die Symptome vertraut. Diese besondere Art von Gram lässt sich wie folgt buchstabieren: L-i-e-b-e.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das glaube ich nicht.«
»Hmm.«
»Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
»Ging schlecht aus. Als wir damals im Sommer gemeinsam auf der Hochzeit waren, hatte ich es gerade hinter mir. Eine Hochzeit«, schnaubte sie, »genau die Umgebung, die ich brauchte, um mich so richtig elend zu fühlen. Deshalb habe ich mich auch auf sämtlichen Polterabenden so oberfies benommen. Genau deshalb brauchte ich auch in jener Nacht einen Freund. Einen sehr intimen Freund«, meinte sie mit einem weichen Lächeln, das er erwiderte. »Unsere kleine Eskapade im Swimmingpool hat mir mein Selbstvertrauen zurückgegeben.«
»Stets zu Diensten.«
»Und wie du das warst.«
Allmählich schwand Hammonds Lächeln. »Davee, das hätte ich nie vermutet. Du hast es gut verborgen. Was ist passiert?«
»Wir haben uns auf der Universität getroffen. Er war ein Pfarrerssohn. Kannst du dir das vorstellen? Ich und ein Pfarrerssohn. Ein echter Gentleman. Schlau, sensibel. Hat mich nicht wie eine Schlampe behandelt, und bei ihm hab ich mich auch nicht so aufgeführt, auch wenn du’s vielleicht kaum glaubst.« Sie trank ihr Glas aus und goss sich einen frischen Drink ein. »Aber natürlich war ich früher eine. Als ich ihm begegnet bin, hatte ich mich schon quer durch den Campus geschlafen, sämtliche Verbindungshäuser rauf und runter. Selbst einen meiner Dozenten hatte ich vernascht.
Wie durch ein Wunder hatte er von meinem Ruf nicht die geringste Ahnung. Einige meiner Ex-Freunde hielten es für einen tollen Scherz, ihm die Wahrheit zu stecken.« Sie ging zum Fenster und starrte durch die Schlitze der Fensterläden.
»Er war ein exzellenter Student. Stipendiat. Ganz konzentriert. Ging nicht oft auf Partys. Aus all diesen Gründen war er nicht sonderlich beliebt. Die Jungs machten sich einen Spaß
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