Kein Alibi: Roman (German Edition)
etwas, was Sie gesehen oder gehört haben. Tun Sie das?«, fragte sie rundheraus.
»Sollten wir das Fragen nicht der Polizei überlassen?«
Sie ging weiter den Gartenweg hinunter und durchs vordere Tor hinaus. Davee schloss die Tür und drehte sich um. Hinter ihr stand inzwischen Sarah Birch.
»Was ist, Baby?« Sie streckte die Hand aus und glättete die Sorgenfalten auf Davees Stirn.
»Nichts, Sarah«, murmelte sie geistesabwesend. »Nichts.«
36
Noch ehe Hammond ins Büro gefahren war und mit Steffi gesprochen hatte, hatte er am frühen Morgen seinen Anrufbeantworter abgehört und eine einzige Nachricht beantwortet.
»Loretta, hier ist Hammond. Ich habe deine Nachricht erst heute Morgen erhalten. Entschuldige, dass ich dir gestern auf die Zehen getreten bin. Ich habe deine Pagerrufe mit einer falschen Nummer verwechselt. Äh, hör mal, ich finde es toll, was du gemacht hast. Trotzdem möchte ich nicht, dass du diesen Kerl anschleppst, mit dem du auf dem Jahrmarkt geredet hast. Glaub mir, ich habe meine Gründe dafür. Später werde ich dir alles erklären. Leg ihn momentan auf Eis. Sollte sich herausstellen, dass ich ihn brauche, lasse ich’s dich wissen. Ansonsten mach… Du kannst vermutlich… Also, was ich sagen möchte: Du kannst jederzeit
andere Arbeit annehmen. Wenn ich dich noch mal brauche, melde ich mich. Nochmals danke. Du bist die Beste. Ade. Ach, ich werde dir einen Scheck für die Ausgaben von gestern und letzter Nacht schicken. Du hast mehr getan als nötig. Tschüss.«
Zweimal hörte sich Bev Boothe diese Nachricht an, dann starrte sie aufs Telefon. Während sie darüber nachdachte, was sie damit tun sollte, tupfte sie mit den Fingern leicht auf das Tastenfeld. Speichern oder löschen?
Am liebsten hätte sie Mr. Cross ihre Meinung dazu gesagt, was er mit dieser Nachricht tun solle, aber das war anatomisch unmöglich. Sie war müde und mürrisch. Über Nacht hatte jemand eine Delle in ihr Auto gefahren, das sie auf dem Parkplatz des Klinikpersonals abgestellt hatte. Nach jeder Zwölfstundenschicht hatte sie dumpfe Kreuzschmerzen.
In erster Linie machte sie sich aber Gedanken um ihre Mutter, deren Schlafzimmer leer und unbenutzt aussah. Wo war sie die ganze Nacht gewesen? Und wo war sie jetzt? Bev dachte daran, wie zerstreut und deprimiert Loretta gewirkt hatte, als sie gestern Abend ins Krankenhaus gefahren war.
Die Nachricht hörte sich an, als ob ihre Mutter draußen herumlief und die Drecksarbeit für den Bezirksstaatsanwalt erledigte, zumindestens eine Zeit lang. Es klang nicht so, als ob dieser Mistkerl den Einsatz ihrer Mutter besonders schätzte.
Boshaft drückte Bev die Nummer drei, um die Nachricht zu löschen. Als sie fünf Minuten später aus der Dusche stieg, hörte sie, wie ihre Mutter ins Zimmer rief: »Bev, ich wollte dir nur sagen, dass ich wieder da bin.«
Bev schnappte sich ein Handtuch, wickelte sich hinein und tappte barfuß ins Schlafzimmer ihrer Mutter, wobei sie nasse Fußabdrücke im Gang hinterließ. Loretta saß auf der Bettkante und zog gerade ein Paar Sandalen aus, die hellrote Striemen in ihre geschwollenen Beine geschnitten hatten.
»Mom, ich habe mir Sorgen gemacht«, rief Bev, wobei sie versuchte, nicht allzu überrascht und erleichtert darüber zu klingen, dass ihre Mutter zwar abgekämpft und zerzaust, aber nüchtern war. »Wo bist du gewesen?«
»Das ist eine lange Geschichte, die warten kann, bis wir beide ein paar Stunden an der Matratze gehorcht haben. Ich bin fix und fertig. Hast du den Anrufbeantworter abgehört? Waren irgendwelche Nachrichten darauf?«
Bev zögerte lediglich einen Herzschlag. »Nein, Mom, keine.«
»Das kann ich nicht glauben«, stieß Loretta hervor, während sie sich aus ihrem Kleid schälte. »Ich reiß mir den Arsch auf, und Hammond spielt Verstecken.«
Nachdem sie sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte, zog sie die Bettdecke zurück und legte sich hin. Ihr Kopf lag noch nicht auf dem Kissen, da war sie schon eingeschlafen.
Bev ging wieder in ihr eigenes Zimmer, streifte ein Nachthemd über, stellte den Wecker, drehte die Klimaanlage auf eine niedrigere Temperatur und ging ins Bett.
Diesmal war Loretta nüchtern heimgekommen. Aber was war beim nächsten Mal? Sie versuchte mit allen Kräften, ihren fragilen nüchternen Zustand aufrechtzuerhalten. Dabei musste man sie ständig stützen und ermutigen. Es war unbedingt nötig, dass sie sich nützlich und produktiv fühlte.
Noch ehe Bev langsam einschlief, galt ihr
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