Kein Alibi: Roman (German Edition)
Strömen von Tränen nicht losgeworden war, hatte sie Gott angefleht, sie davon zu befreien. Inzwischen tauchte es nur noch selten in einem Albtraum auf, aus dem sie schweißnass und am ganzen Leibe zitternd hochschrak. Denn dieses Lächeln stand für die Kontrolle, die er gnadenlos über sie ausgeübt hatte.
»Bobby.« In ihrer Stimme hatte das fahle Geläut einer Totenglocke nachgeschwungen. Die Tatsache, dass er unangekündigt wieder in ihrem Leben aufgetaucht war, konnte nur Unheil bedeuten, besonders, weil seine subtilen äußerlichen Veränderungen die Bedrohung, die er verkörperte, nur noch betonten.
»Du klingst nicht gerade hocherfreut, mich zu sehen.«
»Wie hast du mich gefunden?«
»Nun, das war nicht leicht.« Auch seine Stimme hatte sich verändert, klang glatter und geschliffener. Kein Hauch von Dialekt mehr. »Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich meinen, du hättest dich die ganzen Jahre vor mir versteckt. Wie sich’s herausstellt, bringt mich purer Zufall vor deine Tür. Ein Wink des Schicksals.«
Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. Gut möglich, dass ihr das Schicksal diesen üblen Streich gespielt hatte. Andererseits verfügte Bobby über viele Quellen. Vielleicht war er ihr schon seit langem auf den Fersen. So oder so, es war egal. Er stand hier, und mit ihm stiegen ihre schlimmsten Erinnerungen und dunkelsten Ängste aus den Tiefen ihrer Seele auf, wo sie sie begraben hatte.
»Ich möchte mit dir nichts zu tun haben.«
Theatralisch faltete er die Hände über dem Herzen und spielte den Betroffenen. »Und das nach all dem, was wir einander bedeutet haben?«
»Genau deswegen.«
Die Frau, die vor ihm stand, war gelassener und selbstsicherer als in ihrer Jugend. Vor Wut lief er dunkelrot an. »Möchtest du wirklich unsere gemeinsamen Erlebnisse aus der Vergangenheit miteinander vergleichen? Willst du genau abmessen, was wem passiert ist? Vergiss nicht, ich war derjenige, der –«
»Was willst du? Mal abgesehen von Geld, denn das willst du immer. Ich weiß es ganz genau.«
»Zieh nur keine voreiligen Schlüsse, Dr. Ladd. Du bist nicht die Einzige, die den Erfolg kennt. Auch mir ist es seit unserer letzten Begegnung immer besser gegangen.«
Dann hatte er mit seiner Karriere als Nachtclub-Geschäftsführer geprahlt. Als sie von seinem Bericht über die tollen Tage im Cock ’n’ Bull die Nase voll hatte, sagte sie: »In fünfzehn Minuten erwarte ich einen Patienten.«
Sie hatte gehofft, das Wiedersehen rasch beenden zu können, aber nun lief Bobby erst recht zur Hochform auf und präsentierte wie beim Kartenspiel seinen Trumpf: jenen Plan, der ihn nach Charleston geführt hatte.
Kein Zweifel, er war durchgeknallt, total, was sie ihm auch gesagt hatte.
»Vorsicht, Alex«, sagte er erschreckend sanft, »ich bin nicht mehr so nett wie früher. Und viel schlauer.«
Sie kämpfte gegen ihre Angst an und meinte: »Dann brauchst du ja mich nicht.«
Aber sein Plan betraf auch sie. »Eigentlich bist du der Schlüssel zum Erfolg.«
Als er ihr erklärt hatte, was er von ihr wollte, hatte sie gesagt: »Bobby, du träumst. Wenn du glaubst, ich würde dir auch nur einen Funken Zeit widmen, dann irrst du dich gründlich. Geh weg und komm nicht wieder.«
Aber er war wiedergekommen. Am nächsten Tag. Und am übernächsten. Eine ganze Woche lang war er hartnäckig zu jeder Tageszeit aufgetaucht, hatte ihre Sitzungen gestört und wiederholt Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen, die zusehends bedrohlicher wurden. Wie der typische Parasit, der er war, hatte er sich an ihrem Leben festgesaugt.
Endlich hatte sie sich zu einem Treffen bereit erklärt, was er als Kapitulation wertete, aber als sie jede Teilnahme ablehnte, war sein Wohlgefallen in Wut umgeschlagen. »Vielleicht hast du mehr Schliff, Bobby, mehr Raffinesse, aber geändert hast du dich nicht. Du bist noch immer derselbe wie damals, als du für ein Taschengeld auf den Strich gegangen bist. Kaum kratzt man an der dünnen Lackschicht, kommt darunter der Abschaum hervor, der du bist.«
Voller Wut über diese Wahrheit riss er eines ihrer Diplome von der Wand und warf es auf den Boden, dass Rahmen und Glas in tausend Stücke zerbarsten. »Jetzt hör mal gut zu«, sagte er in einem Ton, den sie von früher kannte, »das solltest du dir noch mal überlegen und mir diesen Gefallen tun. Sonst mische ich dein Leben gründlich auf. Aber wirklich gründlich.«
In dem Moment begriff sie, dass er kein
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