Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
Verlobter sie fest an sich zog.
»Wie dem auch sei«, fuhr sein Vater fort, eindeutig ungeübt im Umgang mit Bemerkungen aus dem Publikum, und räusperte sich, »da stand ich nun mit meiner Idee, über sprachliche Missverständnisse zu reden, die dazu führen können, den ganzen Menschen falsch zu verstehen.«
Wills Herz machte einen Satz. Wenn irgendjemand ein Lied davon singen konnte …
»So etwas kommt sogar bei Menschen vor, die einem viel bedeuten.«
Das Blatt Papier fiel Carl Thompson aus der Hand, als er den Kopf hob und sich suchend im Raum umblickte. Wills Blick und der seines Vaters trafen sich.
»Na ja, jedenfalls habe ich eine Art Gedicht geschrieben …«
»Ehrlich?«, kreischte Nina, hüpfte auf und ab und klatschte in die Hände. »Oh, wow!«
»Das habe ich, und wenn du erlaubst, lese ich es jetzt vor. Es geht um das, was stärker ist als jedes Missverständnis.« Wieder sah er Will an. Ein fast unmerkliches Nicken, ein kurzes Zusammenpressen der Lippen …
Als sein Vater das Gedicht vorlas, zitterten seine Hände noch stärker. Die Gäste standen reglos und waren hingerissen,
und schon nach den ersten Zeilen liefen Nina Tränen über die Wangen.
»Missverständliche Botschaften wie vom Regen aufgeweichte Postkarten … die Leere zwischen den Zeilen verleitet zu Fehleinschätzungen … Bedeutungen gehen verloren oder sind vorbelastet … Urteile werden gefällt … Die einzigen gehörten Worte sind jene, dich ich nie ausgesprochen habe … drei Worte … die keinen Zweifel lassen …« Will bemühte sich nach Kräften, genau zuzuhören, aber sein Herz war übervoll und ihm wurde so schwindelig, dass er Mühe hatte, alles zu begreifen. Alles, was er wusste, war: dass sein Vater von ihm und ihrer beider Beziehung sprach. Seine Worte waren offen, ehrlich und wunderschön. Als hätte sich sein Vater auf diese Bühne gestellt, um dem Sohn eine Liebeserklärung zu machen. Etwas, wonach sich Will ein Leben lang gesehnt hatte.
Nachdem sein Vater das Gedicht beendet hatte, folgte ohrenbetäubender Applaus. Carl faltete das Blatt zusammen und warf Nina einen liebevollen Kuss zu. Gefolgt von Antonio stürmte sie auf die Bühne und umarmte Carl.
Will stellte sein Glas ab und kämpfte sich durch die Menge nach vorn. Sein Vater suchte ihn mit den Augen in dem Getümmel, aber da war Will schon bei ihm und umarmte ihn mit Tränen in den Augen.
»Gute Arbeit, Dad«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Ach, das war doch nichts«, wiegelte sein Vater verlegen ab.
»Das glaube ich dir nicht«, lächelte Will.
Sein Vater lächelte zurück. »Also gut, es war das Wichtigste, was ich seit langem getan habe - es musste stimmen.«
»Hat es. Es war perfekt.«
»Nun ja«, sein Vater versuchte lässig mit den Schultern zu zucken. »Es geht dabei nur um diese beiden da, nicht wahr? Zumindest sollten das alle hier im Saal glauben.« Er deutete mit dem Kopf auf Nina und Antonio, die sich unter die Gäste mischten und von allen umarmt und geküsst wurden. »Die beiden sind ein reizendes Paar. Und er ist ein Glückspilz.«
»Dad«, Will fragte sich, ob jetzt der richtige Moment war, alles anzusprechen. Den ganzen Mist, der seit Jahren zwischen ihnen lief. Aber plötzlich wurde ihm klar, dass das nicht mehr nötig war. Das Gedicht hatte alles gesagt. Sie würden nie wie die Waltons sein - und einander täglich ihre Gefühle füreinander beteuern. Aber in kleinen Schritten konnte er versuchen, seinen Vater etwas besser zu verstehen. Und ihn umgekehrt von Zeit zu Zeit wissen lassen, was er empfand. »Kann ich davon eine Kopie haben?« Er blickte auf das Blatt in der Hand seines Vaters.
Carl gab das breiteste Grinsen von sich, das Will je bei ihm gesehen hatte. »Klare Sache, Sohn.«
Für einen Moment teilte sich die Menge, und Will erhaschte einen Blick auf Christy, die sich immer noch angeregt mit Shorey unterhielt. Allerdings hielten sie nicht mehr Händchen. Das war ein gutes Zeichen, oder? Wenn die beiden wieder zusammenkamen, dann würden sie doch bestimmt enger beieinandersitzen?
»Carl!« Laura Davies kam angestürmt und fiel seinem Vater um den Hals. »Das war das Schönste, was ich je gehört habe!«
»Ach, das kann ich mir nicht vorstellen …«, protestierte Carl vergeblich.
»Doch, das war es. Unterstehen Sie sich, mit einer Frau zu streiten, deren Haare so hoch toupiert sind! Wann kann ich den Gedichtband kaufen?«
Sein Vater wirkte entsetzt. »Oh, das wird in keinem Gedichtband erscheinen. Es ist
Weitere Kostenlose Bücher