Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
bin ich. Er hat mir immer erzählt, wenn du ein Gedicht veröffentlicht hattest oder im Kulturteil der Zeitung über dich berichtet wurde. Wenn ich bei ihm daheim war, habe ich nie ein schlechtes Wort über dich gehört. Immer hat er mich ermahnt, nach Hause zu gehen, weil du dir Sorgen machst oder etwas in der Art - es war alles stets positiv, Dad.«
»Nach dem Tod deiner Mom war sein Haus für dich mehr ein Zuhause als meines.«
Will öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sein Dad hatte natürlich Recht. In Großvaters Haus hatte er sich verstanden gefühlt. Dort hatte es keine Kluft zwischen völlig verschiedenen Persönlichkeiten gegeben, keinen permanenten Groll aufeinander.
»Es macht mich traurig, dieses Haus aufzugeben«, fuhr sein Vater fort.
Will betrachtete den Staubfleck auf seinen Schuhen. Er dachte an die vielen Tage und Nächte, die er dort verbracht hatte, die Hoffnungen und Träume, die er mit Grandpa geteilt hatte, überzeugt, dass sein Vater zu beschäftigt war, um sie sich anzuhören. Jetzt fragte er sich, ob sein Vater einfach nur nicht gewusst hatte, was er sagen sollte.
»Dad, wenn du das Haus behalten würdest …«
»Behalten?«
»Was würdest du denn damit anfangen?« Will war nicht glücklich über diese Formulierung. Er klang wie ein skrupelloser Geschäftsmann, der jemanden zur Vernunft bringen will. Andererseits musste das Haus verkauft werden, oder? Will konnte dort nicht wohnen, und sein Vater brauchte keine zwei Häuser.
»Die Antwort ist leicht. Ich würde es an Nina und Antonio vermieten.«
»Im Ernst?«, fragte Will überrascht.
»Ja.« Sein Vater nickte gelassen. »Nina ist ein liebes Mädchen, und sie hat mir erzählt, dass Antonio und sie hier in New Brunswick ins Eheleben starten wollen.«
»Ich dachte, sie wäre ein Freigeist?«
Sein Vater wandte sich ihm zu und sah ihn mit einem sonderbaren, verträumten Blick an. »Man kann an jedem Ort ein Freigeist sein, Sohn. Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, und wir haben das Glück, dass frei zu sein, eine davon ist.«
»Na ja, ich meine … das ist eine gute Idee.« Will versuchte,
die Konsequenzen im Kopf durchzuspielen. Konnte das funktionieren? Sein Dad brauchte das Geld nicht, es bestand also keine Notwendigkeit zu verkaufen. Und was sentimentale Werte anging, da hatte Will während der letzten Stunden so einiges gelernt … »Was sagt denn Nina dazu?«
Sein Vater sah hinüber zu Nina und Antonio, die immer noch umringt von Freunden um die Wette strahlten. »Ich habe es ihr noch nicht gesagt - wie sollte ich, du warst ja so fest entschlossen, zu verkaufen.«
»Jetzt nicht mehr«, antwortete Will leise.
»Meinst du? Ich weiß, dass Nina und Antonio bei ihrer Mom leben wollen, bis sie etwas Eigenes gefunden haben. Nina hat mir gesagt, für mich zu arbeiten wäre der beste Job ihres Lebens und dass sie unbedingt bleiben will.«
»Das ist toll, Dad. Dann würde sie also zustimmen?«
Sein Vater zögerte und fuhr dann fort: »Wärst du einverstanden, wenn ich die Miete nicht allzu hoch ansetze?«
»Was soll ich dagegen haben?« Will lächelte. Dann griff er in seine Jackentasche und zog den Umschlag mit dem Verkaufsvertrag heraus.
Sein Vater sah erst auf den Umschlag und dann seinen Sohn an. »Willst du, dass ich trotzdem unterschreibe, nur für den Fall?«, fragte er und seine Stimme zitterte.
»Nein«, antwortete Will. Langsam und bedächtig zerriss er den Vertrag in klitzekleine Fetzen.
26. Kapitel
Christy
22.00 Uhr
A lso gut. Sie würde es tun. Will und sein Vater unterhielten sich immer noch, aber ihrer Körpersprache nach zu urteilen hatten die beiden geklärt, was auch immer so wichtig gewesen war - die extreme Anspannung aus ihren Gesichtern war verschwunden. Vielleicht irrte sie sich, aber wenn sie es noch länger auf die lange Bank schob, würde sie den Mut dazu vollends verlieren.
Und erst vor einem Moment hatte Will noch einmal zu ihr rübergesehen, bevor er sich wieder seinem Vater zuwandte.
Jetzt!
Sie holte tief Luft, setzte ein strahlendes Lächeln auf und ging so selbstsicher wie möglich auf die beiden Männer zu. Sie musste sich ihren Weg durch den Pulk der Tanzenden bahnen, die zu dem temperamentvollen lateinamerikanischen Rhythmus, der aus den großen Lautsprechern zu beiden Seiten der Bühne dröhnte, ihr Bestes gaben. Etliche Paare tanzten Salsa, einige der älteren Leute schüttelten einfach nur Hüften und Schultern - und
ein tapferes Quartett drüben
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