Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
anstand.
Das Einzige, woran sie sich deutlich erinnerte, war ihr katastrophal verlaufener Termin mit Mr Simpson. Aber das schien Jahre her zu sein. Und nachher musste sie zu Clint’s Restaurant und sich der grässlichen Aussicht stellen,
einen Mann zu überreden, dessen Prinzipien ihren Termin hatten platzenlassen, weil sie nicht gleich morgens früh da gewesen war.
Und was sie auch tat - sie hatte keine Garantie, dass er ihr das Apartment doch noch geben würde.
Oder dass er überhaupt in dem Restaurant auftauchte.
Sie blieben vor dem Motorradgeschäft stehen, in dessen Schaufenster sich ein funkelndes, italienisches Geschoss langsam auf einer Scheibe drehte. Toni war geradezu hypnotisiert.
»Ducati quattro otto quattro«, flüsterte er. »Il nostro passato ha un grande futuro.«
»Hä?«, fragte Christy, während sie an Will simste:
Beim Mottoradgeschäft. Wohin jetzt?
Wills Antwort folgte unverzüglich.
Nach rechts und dann sechs Eingänge weiter.
Christy zog den widerstrebenden Toni von der funkelnden Maschine weg. Dann trotteten sie weiter. Christy konnte sich nicht vorstellen, wohin Will sie schickte. Diese Straße stand nie im Leben auf ihrem Plan!
Nicht, dass ihr Zeitplan noch irgendeine Bedeutung hatte. Wie in aller Welt sollte sie es raus zum Flughafen schaffen? Bei dem Mangel an Kommunikation mit ihrer Schwester wusste sie nicht einmal, ob sie überhaupt noch dorthin sollte. Sie verfluchte Annie. Es bedurfte nur eines einzigen Anrufs von ihr, um sie wissen zu lassen, was los
war. Aber nein, völlige Funkstille von Seiten der nervigsten großen Schwester auf dieser Welt. Annie wusste doch, wie gestresst Christy war - wie wichtig es für sie war, alles bis auf die Minute exakt durchzuplanen. Womöglich rief sie jeden Moment an und erwartete dann, dass Christy alles stehen und liegen ließ, um nach Newark rauszurasen.
Christy seufzte. Aber falls Annie das tat, würde sie vermutlich tatsächlich alles stehen und liegen lassen. Das war es ja. Nur: Musste Annie das immer ausnutzen? Das war nicht fair! Und bestimmt Absicht. Hey - wollte die große Schwester ihr etwa eine Lektion erteilen, nicht immer alles so eng zu sehen? Aber einer in der Familie musste so penibel sein - sonst würde nie etwas fertig werden!
Sie zählte die Eingänge. »Vier … fünf … sechs … hä?« Verlockende Düfte waberten durch die Ladentür. Eine Sekunde lang war Christy versucht, hineinzustürmen, aber erst rief sie Will an.
»Könnten Sie mir das bitte erklären?«, fragte sie ohne Einleitung. »Warum stehe ich vor einer Bäckerei , Will?«
»Haben Sie heute schon etwas gegessen?«, fragte er zurück.
In diesem Augenblick begann ihr Magen so laut zu knurren, dass sogar Toni einen Schreck bekam. Dann grinste er, und Christy musste lachen. »Haben Sie das gehört?«, fragte sie Will.
»Was?«
»Ein Glück«, antwortete sie erleichtert.
»Oder meinen Sie diesen brüllenden Löwen, der ganz in Ihrer Nähe sein muss?«
Christy wurde rot. »Sie haben Recht, Will. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Und sterbe vor Hunger.«
»Kommt mir so vor, als wären Sie sehr gut darin, sich um andere zu kümmern, aber nicht gerade groß darin, auf Ihre eigenen Bedürfnisse zu achten.«
»Will, das ist echt nett von Ihnen, aber dafür habe ich keine Zeit …« Während sie das sagte, wanderte ihr Blick zu Toni, der mit ausgehungerter Miene das Schaufenster betrachtete. Als sich ihre Blicke trafen, drehte er sich schnell wieder der Straße zu und begann gleichgültig vor sich hin zu pfeifen.
Der arme Kerl - er hatte Hunger! Daran hatte Christy überhaupt nicht gedacht.
»Diese Zeit müssen Sie sich nehmen, Christy«, beharrte Will. »Die Bagel mit Frischkäse sind besonders gut.«
»Okay. Danke.«
»Gehen Sie rein!«, drängte er. »Ich schicke Ihnen die nächste Anweisung, während Sie essen. Sie werden keine Zeit verlieren.«
Als Christy fünf Minuten später mit Bagels und Kaffee beladen aus der Bäckerei trat, wollte Toni erst ablehnen.
»Bitte«, drängte Christy und drückte ihm einen Bagel und einen Becher Kaffee in die Hand. »Das hast du verdient.«
Zögernd akzeptierte er und dankte ihr überschwänglich auf Italienisch. Dann verschlang er den Imbiss, als hätte er seit Tagen nichts gegessen. Christy bekam ein schlechtes Gewissen, dass Will nötig gewesen war, um sie
auf so ein wichtiges Bedürfnis hinzuweisen. Das war so anständig von ihm - und echt süß! Lästigerweise begann
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