Kein Augenblick zu früh (German Edition)
mir gerade kaltes Wasser ins Gesicht spritzen, als ich Demos im Zimmer sprechen hörte. Ich trat an die Tür und presste das Ohr dagegen.
»Du hast bei Thomas etwas gehört, stimmt’s?«, fragte er. »Was hast du in seinen Gedanken gehört?«
Jemand seufzte. Das musste Alicia sein. Ich horchte angestrengt und hoffte nur, dass sie nicht merkte, dass ich lauschte.
»Nicht gehört, sondern gesehen«, sagte sie. »Es war furchtbar. Als ob er in einem nicht endenden Albtraum gefangen wäre. Ich sah nur einzelne Bilder, Momentaufnahmen von dem, was sie mit ihm gemacht hatten. Ich kann es nicht beschreiben – bin nicht sicher, was die Bildfetzen bedeuten. Aber ich sah weiße Räume und immer wieder dazwischen blitzartig auftauchende Gesichter. Was sie da drin machen … ich … ich hörte nur immer Schreien. Jetzt kommt alles wieder zurück …« Ihre Stimme klang gedämpft, vermutlich hatte Demos sie in den Arm genommen. »Das hätte ich sein können«, hörte ich sie noch leise murmeln.
»Hast du Melissa sehen können?«, fragte Demos.
»Ja.« Alicias Stimme klang jetzt wieder deutlicher. »Ja, ich habe sie gesehen.«
Ich erstarrte, mein Herz begann wie wild zu schlagen. Ich hätte schwören können, dass Alicia es hören konnte.
»Und ist sie … geht es ihr gut?«, fragte Demos zögernd.
Alicia schwieg lange. Ich hörte sie seufzen. »Nein, Demos. Es geht ihr nicht gut. Wir müssen sie da rausholen.«
Ich schloss die Augen. Erst nach einer Weile merkte ich, dass auf der anderen Seite der Tür Stille herrschte. Ich hielt den Atem an, wartete eine volle Minute, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte. Als ich aus dem Bad kam, stand Demos direkt neben der Tür. Erschrocken zuckte ich zusammen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass er auf mich wartete.
»Oh … hi«, sagte ich verlegen.
»Du hast alles gehört«, stellte er fest.
»Kann sein.«
»Es tut mir leid.«
»Nicht deine Schuld.« In meiner Kehle schien ein Kloß zu stecken. »Egal was Amber sagt. Sie braucht nur jemanden, dem sie die Schuld geben kann, und du bist eben der Anführer. Aber wir anderen glauben nicht, dass du schuld bist.«
Demos schaute mich ein paar Sekunden lang schweigend an. »Ich weiß nicht, Lila, vielleicht hat sie Recht. Die ganze Sache begann wirklich damit, dass ich mich für das rächen wollte, was deiner Mutter angetan wurde. Wie komme ich dazu, von den anderen zu verlangen, dass sie mir dabei helfen, nach allem, was mit Ryder und Thomas geschehen ist?«
»Ich glaube nicht, dass du es von uns verlangt hast, Demos. Du musst uns dazu nicht auffordern. Das ist nicht dein persönlicher Rachefeldzug gegen die Einheit und Stirling – das geht uns alle an. Es ist unser gemeinsamer Kampf.« Etwas Ähnliches hatte auch Alex gesagt.
Demos schwieg.
»Und wir werden ihn gewinnen«, fügte ich leise hinzu und war selbst überrascht, wie überzeugt ich klang.
Noch während ich es sagte, wurde mir klar, dass das nur Wunschdenken war – wir durften den Kampf eben einfach nicht verlieren.
Alex saß auf dem Sofa, den Kopf in die Hände gestützt, offenbar unfähig, den Blick von der Uhr auf dem Kaminsims loszureißen. Als Demos und ich ins Wohnzimmer kamen, stand er auf.
Vermutlich wurde es Zeit. Ich hätte den Augenblick gern noch ein wenig hinausgeschoben, schon deshalb, weil meine Knie weich wie Butter geworden waren. Wieder einmal musste ich mich von ihm verabschieden, dieses Mal sogar vor Publikum. Alle schienen mich anzustarren.
Als sich unsere Blicke trafen, stellte ich fest, dass ich seine Gedanken inzwischen fast ebenso gut lesen konnte wie Suki. Entweder entwickelte ich telepathische Fähigkeiten oder Alex schaffte es nicht mehr, undurchdringlich dreinzublicken. Wie auch immer, ich hatte nichts dagegen, seine Gefühle ein bisschen besser zu durchschauen.
Nach unserem Plan sollte Alex mit den anderen über die Grenze in die Staaten zurückfahren. Probleme waren nicht zu erwarten, da Demos die Zollbeamten einfach erstarren lassen würde. Die Einheit würde sämtliche Flughäfen überwachen – und sie sollten mich allein ankommen sehen. Meine Geschichte musste absolut wasserdicht sein.
Alex führte mich aus dem Zimmer. »Bloß keine unüberlegten Aktionen«, ermahnte er mich, als wir im Flur standen.
»Unüberlegte Aktionen? Wer, ich?« Wie die leibhaftige Unschuld riss ich die Augen auf.
Er grinste. »Du weißt, was ich meine.«
»Okay, versprochen. Nichts Unüberlegtes.« Ich strich ihm über den
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