Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Schultern und drückten Carlos auf den Stuhl zurück. Mrs Johnson hatte Carlos’ Kopf nicht losgelassen. Der Mafiaboss riss kurz die Augen auf, dann blickte er verträumt in die Ferne.
Nach etwa fünf Sekunden sagte Mrs Johnson: »In Ordnung, aber Sie müssen ihn jetzt wieder einfrieren oder was auch immer in Gottes Namen Sie mit ihm machen. Er darf euch nich’ mehr zu sehn bekommen, sonst wär die ganze Sache sinnlos gewesen, oder nich’?«
Danach nahm sie sich auch die beiden Gorillas vor, bis ihre Erinnerung so blank war wie ein geschrubbter Küchentisch.
Als sich Alex schließlich hinter den Panzerschrank-Typen stellte, fragte er: »Lila, bei dem hier brauche ich ein bisschen Hilfe. Kannst du seine Arme festhalten?«
Zweifelnd betrachtete ich die massigen Arme, die so breit wie Baumstämme waren. »Ich kann’s ja mal versuchen.«
Ich konzentrierte mich auf seine Arme, stellte mir vor, dass sie nur dünne Zweige wären. Als Demos die Starre aufhob, sprang der Mann instinktiv vor, sodass Mrs Johnson ein paar Schritte zurücktaumelte. Es war, als müsste ich mich gegen eine Planierraupe stemmen, aber dann brachte ich ihn doch unter Kontrolle und drückte ihm die Arme fest an den Körper, bis er sich nicht mehr rührte. Harvey und Alicia schauten mich mit großen Augen an. Offenbar hatten sie keine Ahnung gehabt, über welche Kraft ich verfügte – und dass ich jetzt auch Menschen und nicht nur Gegenstände beherrschen konnte. Vielleicht war ich eine ganz eigene Art von Freak? Vermutlich nicht so mächtig wie Demos, aber andererseits wusste ich, dass weder Harvey noch Bill Menschen bewegen und steuern konnten.
»Prima. Gehen wir«, sagte Alicia, sobald Mrs Johnson die Erinnerung aller vier Männer gelöscht hatte.
Key führte seine Mutter zum Van zurück, die bereits lautstark die Liste der Dinge verlängerte, die sie in Acapulco erleben wollte.
Wir folgten dichtauf, während Demos die Männer noch in der Starre hielt, bis wir das Haus verlassen hatten. Suki fuhr das Auto vor den Eingang, und Alex und ich stiegen ein. Ich warf einen Blick in den Kofferraum: Wir besaßen nun mehrere hundert Kilo Kokain und vermutlich gut über eine Million Dollar Bargeld. Demos setzte sich neben mich auf den Rücksitz.
»Gefällt mir, wenn ein Plan so sauber abläuft«, sagte er und zwinkerte mir zu.
17
»Ich bin echt sauer, weil ich diesen Carlos nicht kennenlernen durfte!«, beschwerte sich Suki.
»Du hast nichts verpasst.« Ich ließ die letzte Tasche mit den erbeuteten Drogen auf den Boden fallen.
Das Hotelzimmer war elegant und geräumig, denn die geklaute Million ermöglichte uns sozusagen den Aufstieg in die Schickeria: Wir hatten das gesamte Penthouse auf dem Hotel »Four Seasons« gebucht.
»Warum durfte Alicia mit, um seine Gedanken zu lesen?«, schmollte sie weiter. »Das hätte doch auch ich machen können!«
»Hättest du nicht, Suki – Alicia versteht nämlich Spanisch und du nicht.«
»Ich weiß, dass culo Arsch heißt, das reicht doch! Immer verpasse ich die coolen Sachen.«
Harvey und Demos sortierten die grünen Dollarbündel und die weißen Drogenpäckchen, zählten sie und wogen die Drogen ab. Wir hatten viel mehr erbeutet, als wir erwartet hatten. Und viel mehr, als wir eigentlich brauchten.
Suki hörte meine Gedanken sofort. »Heißt das, dass wir jede Menge Kohle übrig haben? Damit könnten wir doch shoppen gehen?«, fragte sie Demos hoffnungsvoll. »Ich brauche nämlich neue Schuhe.«
Demos kicherte – das hatte ich von ihm noch nie zu hören bekommen; beinah hätte ich mitgekichert. »Suki, du hast schon jetzt mehr Schuhe als Imelda Marcos.«
»Imelda – wer?«, fragte sie mit einem Anflug von Eifersucht.
»Wir wollten dir das eigentlich nicht sagen«, warf Harvey ein, »aber du bist der Grund, warum wir das Wohnmobil loswerden mussten. Es war so vollgestopft mit deinen Designerklamotten und Edelschlappen, dass wir keinen Platz zum Sitzen mehr hatten.«
Alle lachten. Die Hänselei war eine ganz natürliche Reaktion auf die große Anspannung, unter der wir gestanden hatten, und vielleicht tat es gut, wieder lachen zu dürfen, aber ich brachte es trotzdem nicht über mich. Ich stand auf und ging ins Bad.
Lange betrachtete ich mein Spiegelbild, das elfenhaft kurz gestutzte Haar, die dunklen Schatten unter den Augen. Würde ich jemals wieder wie eine glückliche, normale, ausgeschlafene Siebzehnjährige aussehen oder war dieses Mädchen für immer verschwunden? Ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher