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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Alderson
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sie dich dorthin bringen, werden sie dir den Wundverband abnehmen. Und wenn sie keine Wunde mehr finden, werden sie an dir herumschneiden, um herauszufinden, wieso du plötzlich geheilt bist.«
    Ich sah an seiner Miene, dass ihm allmählich dämmerte, in welcher Lage er sich befand.
    »Du musst so tun, als würdest du sterben. Sorg dafür, dass die Geräte immer wieder mal ausschlagen. Der Arzt meinte, solange deine Werte nicht stabil sind, würde er dich hierbehalten müssen. Schaffst du das? Mach immer wieder ein paar Sit-ups, wenn niemand in der Nähe ist. Und vor allem: Kein Wort zu Sara! Ich meine es ernst! Nicht, bis wir absolut sicher sind, dass wir ihr trauen können.«
    Er öffnete die Tür, machte einen Schritt in Richtung Bett, drehte sich plötzlich um und riss mich in seine Arme. Dann ließ er mich abrupt los und stieg ins Bett.
    Fast gleichzeitig wurde die Tür zum Korridor geöffnet. Mit zwei Blicken dirigierte ich das Laken über Jacks Körper und befestigte den Infusionsschlauch am Pflaster an seinem Arm. Die flache Linie auf dem Monitor zeigte keinerlei Ausschläge.
    »Na, wie steht’s hier? Alles ruhig?«, fragte Dr. Roberts beim Eintreten.
    »Hm, ja, alles ruhig. Gibt nichts zu berichten. Ich glaube nicht, dass er so bald aufwachen wird.«
    Der Arzt lächelte und trat an Jacks Bett. Er zögerte kurz, warf einen Blick auf die horizontale Linie des Monitors und dann auf die Elektrodenkontakte auf Jacks Körper.
    »Warum sitzen die Kontakte plötzlich an den falschen Stellen? Haben Sie sie versetzt?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. »Äh, ja, ich wollte nur mal sehen, wie sie funktionieren.«
    »Sie wollen wohl Ärztin werden, was?«, fragte er verärgert, während er die Kontakte an den richtigen Stellen befestigte. Von der Maschine kam wieder ein rhythmisches Piepen.
    »Äh, ja, vielleicht. Aber ich bin nicht sehr gut in Naturwissenschaften. Außerdem«, fügte ich und betrachtete Jacks angebliches Koma-Gesicht, »ist eher Jack der Heiler in der Familie.«
    Dr. Roberts lächelte flüchtig, dann wurde er ernst. »Lila, gerade hat jemand von der Einheit angerufen. Sie wollen Jack morgen verlegen.«
    Jetzt verging auch mir das Lächeln. »Aber Sie haben doch gesagt, solange sich seine Werte nicht stabilisieren, würden Sie ihn hierbehalten! Und das ist auch der Fall, schauen Sie mal!« Ich deutete auf die Ausdrucke, die von der Maschine herabhingen. »Sie sind total instabil!«
    Dr. Roberts schüttelte den Kopf. »Ich weiß. Es tut mir leid. Sie wollten ihn schon heute Abend verlegen, das konnte ich verhindern. Aber jetzt holen sie ihn gleich morgen Früh. Dagegen kann ich nichts mehr tun.«
    Ich warf einen Blick auf Jack. Gerade spielte er seine Koma-Rolle nicht mehr sehr überzeugend. Er runzelte die Stirn, seine Lippen zuckten und die Herzschlagrate schlug heftig aus.
    »Aber er ist noch nicht aufgewacht!«, rief ich.
    Der Arzt nickte. »Das ist ihnen egal. Sie behaupten, sie hätten alle nötigen medizinischen Einrichtungen, um ihn zu versorgen. Ich verstehe zwar nicht, warum sie ihn so dringend zurückhaben wollen, aber es ist nun mal so.«
    Und wie sie ihn zurückhaben wollten! Und erst recht, wenn sie herausfanden, wozu er fähig war.
    »Kommen Sie bitte? Die Besuchszeit ist vorbei.« Dr. Roberts hielt mir die Tür auf.
    Ich warf einen verzweifelten Blick auf Jack, dann nahm ich seine Hand und hauchte ihm ins Ohr: »Morgen komme ich wieder, versprochen.«

29
    Danach konnte ich natürlich nicht mehr einschlafen. Den Rest der Nacht hockte ich im Dunkeln auf dem Bettrand und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Das war nicht ganz einfach. Mein überhitzter Verstand schlug Purzelbäume, sprang von einem Thema zum anderen. Aber immer wieder kehrte er zu Jack zurück. Wie war das möglich? Hatte er sich tatsächlich selbst geheilt? Und wenn ja, warum tauchte diese Kraft plötzlich wie aus dem Nichts auf? Möglicherweise war sie durch die Schießerei ausgelöst worden. Bestimmt waren es traumatische Erlebnisse, die diese seltsamen Gene aktivierten, die wir offenbar beide hatten?
    Am liebsten hätte ich sofort mit ein paar Experimenten begonnen, um herauszufinden, welche Verletzungen Jack tatsächlich erleiden und dann heilen konnte. Eine Kugel – das war natürlich schon mal ganz schön beeindruckend. Spürte er denn noch Schmerzen? Und … konnte er überhaupt sterben? Mir kam ein verstörender Gedanke: War seine Kraft besser als meine? Konnte er sonst noch etwas, das ich nicht konnte?

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