Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Reihe von Booten nach der anderen, Segelboote, Jachten, Schnellboote, Dingis, sogar eine oder zwei Superjachten, die alle übrigen Boote wie Plastikschiffchen aussehen ließen.
Was hatten wir hier zu suchen? Ich musste doch noch … irgendwohin?
»Key!« Alex’ Stimme vibrierte durch meinen Kopf. »Lass den Motor an! Wir müssen los! Sofort!«
Key? Hatte er gerade Key gerufen? Ich blinzelte in die gleißende Sonne. Über uns, auf dem Deck einer riesigen Jacht, konnte ich den Umriss einer Gestalt ausmachen.
»Was? Warum bringst du sie hierher? Was ist passiert?«
Eindeutig Keys Stimme. Aber warum war er nicht in Washington? Warum flog er nicht unsichtbar irgendwo herum?
»Wir müssen sofort weg«, sagte Alex. »Die Einheit weiß über Lila Bescheid. Sie sind uns dicht auf den Fersen. Wir müssen sofort los.«
Was sagte er da? Wir konnten nicht weg! Ich musste doch noch irgendwohin … Ich konnte mich nur nicht mehr erinnern, wohin.
»Was ist passiert?«, fragte Key.
»Weiß ich nicht. Jetzt beweg dich endlich! Wir müssen verschwinden!«
Nein, nein, nein! Nicht verschwinden! Das stimmte alles nicht. Das Krankenhaus. Genau – das war es. Ich musste zurück ins Krankenhaus und Jack herausholen!
Ich stemmte die Hände gegen Alex’ Brust und strampelte wild mit den Beinen. »Nein! Lass mich runter!«
Das Aufheulen des Jachtmotors überdröhnte unsere Stimmen. Alex drückte mich eng an sich. »He, beruhige dich! Wir müssen weg. Keine andere Wahl!«
Er verlagerte den Griff, um mich wieder in die Arme zu nehmen und auf die Jacht zu tragen. Ich wehrte mich, schob mit aller Kraft seine Hände weg und setzte schließlich meine Psychokraft ein, um mich zu befreien. Ein bisschen zu viel Psychokraft: Er ließ mich abrupt fallen, sodass meine Knie schmerzhaft auf die Planken krachten. Alex taumelte ein paar Schritte zurück und rieb sich die Schulter, wobei er gereizt auf mich hinunterstarrte.
»Wieviel Uhr ist es?«, überschrie ich das Dröhnen des Motors.
»Ungefähr zwanzig nach sechs. Warum?«, schrie er zurück. »Sei vernünftig und komm endlich. Wir müssen verschwinden.« Er schob mir die Hand unter den Arm und zog mich hoch.
Zwanzig nach sechs? Nicht später? Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, seit ich mich auf dem Boden im Supermarkt vor Schmerzen gewunden hatte und von Alex herausgeholt worden war, und noch eine weitere halbe Ewigkeit auf dem Motorrad. Tatsächlich waren grade mal zehn Minuten vergangen.
»Ich muss zurück«, sagte ich. »Darf nicht zu spät kommen.« Warum kapierte er das denn nicht?
»Was redest du da? Zu spät wofür?« Er sah mich an, als sei ich geistesgestört. »Du kannst nicht zurück! Sie wissen, wer du bist, Lila. Dass sie die Waffe gegen dich eingesetzt haben, ist der Beweis dafür. Wir müssen fliehen, solange wir noch können.« Er streckte die Hand aus. »Jetzt ist alles anders.«
Erst in diesem Augenblick wurde mir klar, dass Alex keinen Schimmer hatte – er ahnte nicht, dass Jack aufgewacht war, und auch nicht, dass Jack ein Psy war. Und wie hätte er wissen sollen, was Richard Stirling mir gedroht hatte? Key war hier auf der Jacht und schwebte nicht irgendwo unsichtbar herum. Folglich hatte er Alex und Demos auch nichts berichten können. Als ich das begriff, gaben meine Knie erneut nach. Wenn Alex nicht von Jack erfahren hatte, gab es auch keinen Plan, ihn zu befreien. Alles war umsonst gewesen. Ich hätte Jack gleich gestern Abend aus dem Krankenhaus wegbringen sollen.
»Ich weiß, dass sie über mich Bescheid wissen«, schrie ich. »Aber sie haben Jack. Und heute Vormittag wollen sie ihn in eine der Gefängniszellen verlegen.«
»Was?«
»Kann ich dir jetzt nicht alles erzählen. Aber ich habe Jack versprochen zurückzukommen.«
Alex verlor langsam die Beherrschung. »Lila, wenn sie wissen, wer du bist, kannst du nicht zurückgehen. Unmöglich. Darauf haben wir uns doch geeinigt. Wir wollen doch zulassen, dass sie ihn ins Hauptquartier verlegen! Ich verstehe überhaupt nicht, warum das jetzt plötzlich ein Problem ist!« Er versuchte, mich die Gangway hinauf zu schieben, aber ich wehrte mich, so heftig ich konnte. »Wir kommen später zurück und holen deine Mutter heraus. Sobald Demos wieder hier ist. Uns wird schon was einfallen, ich verspreche es dir.«
Ich riss mich los. »Nein! Es gibt kein Später. Versteh doch – wir dürfen nicht zulassen, dass sie Jack mitnehmen!«
»Ihm passiert schon nichts!«, schrie Alex.
»Und ob ihm was
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