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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Alderson
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schon an schlimmeren Orten geschlafen.«
    Wütend starrte ich ihn im Halbdunkel des Laderaums an. »Na prima«, gab ich nach. Verdammt. Verdammt!
    »Soll ich dir helfen?«
    Ich winkte ihn weg, schwang ein Bein über den Sargrand und kletterte hinein. Streckte mich darin aus. Die synthetische Seide fühlte sich kühl an und kratzte leicht an meinen Waden und Armen.
    Jack , schwor ich mir, dafür schuldest du mir was!
    Keys Kopf schob sich in mein Blickfeld. »Okay, mach dir keine Sorgen. In zehn Minuten sind wir da. Äh, vielleicht schon in neun«, fügte er schnell hinzu, als er mein entsetztes Gesicht sah. »Sobald wir beim Krankenhaus ankommen, lasse ich dich raus.« Er lächelte ermutigend und klappte den Deckel zu.
    Ich hatte nicht mit einer so vollkommenen Dunkelheit gerechnet. Sie war absolut. Als hätte man mich von Kopf bis Fuß in Teer getaucht. In Panik kratzte ich an den Wänden und schnappte nach Luft. Waren meine Augen geschlossen oder offen? Dann spürte ich das Vibrieren des Motors, ruckartig setzte sich der Leichenwagen in Bewegung. Ich keuchte, begann zu schwitzen. Schweißperlen rannen mir über den Nacken und im Nu klebte mir die künstliche Seide am Körper. Ich versuchte mich zu beruhigen, summte vor mich hin, stellte mir vor, mit Alex im Bett zu liegen. Aber es funktionierte nicht.
    Der Gedanke machte mich nur noch unruhiger. Würde ich ihm jemals wieder so nahe sein? Würde er überhaupt wieder mit mir sprechen? Ich hatte ihn noch nie so wütend erlebt. Ich schluckte die Tränen hinunter. Tief in meinem Inneren ahnte ich, dass ich zu weit gegangen war. Ich hatte Alex verlassen. Schlimmer noch, ich war schon wieder von ihm weggelaufen.
    Endlich wurde der Wagen langsamer und bog um eine scharfe Kurve. War das der Eingang zum Camp? Wir hielten an. Ich vernahm gedämpfte Stimmen, betete, dass sie nicht in den Sarg schauen würden. Schon wurde die Laderaumtür geöffnet. Jetzt konnte ich Key hören, verstand aber kein Wort. Schweiß tropfte von meiner Stirn. Tote sollten eigentlich nicht schwitzen. Mit jeder Faser meines Körpers hoffte ich, dass sie den Sarg nicht öffnen würden.
    Keys Stimme kam näher, wurde deutlicher. Schritte auf dem Metallboden. Ein Schlag auf den Deckel, direkt über meinem Kopf. »Solide Eiche«, sagte Key.
    Ich holte tief Luft, kreuzte die Arme über der Brust und versuchte, so tot wie möglich auszusehen – aber natürlich war mir klar, dass ich mit wild klopfendem Herzen und vor Angst und Hitze knallrotem Gesicht keine sehr überzeugende Leiche abgab.
    Wieder Schritte. Die Tür krachte zu. Die Stimmen klangen nun gedämpft und undeutlich. Vereinzelte Rufe. Der Motor heulte auf. Reifen knirschten über Kies. Der Wagen beschleunigte. Ich atmete aus.
    Ein paar Minuten später fuhren wir wieder langsamer, beschleunigten erneut, hielten schließlich an. Das Motorengeräusch verstummte. Die Tür wurde wieder geöffnet und der Wagen senkte sich ein wenig, als jemand in den Laderaum stieg. Dann wurde der Deckel angehoben. Gleißendes, grelles Licht, voller Farben. Meine Augen tränten. Luft, frisch, kühl, süß, wunderbar. Ich saugte sie begierig ein. Richtete mich auf, kletterte aus dem Sarg.
    Meine Knie gaben nach. Key fing mich auf.
    »Ich will … verbrannt werden …«, würgte ich hervor. »Merk dir das, falls was schiefläuft.«
    »Geht in Ordnung«, sagte Key. »Bist du bereit?«
    Ich nickte, machte ein paar Schritte, wischte mir mit dem Arm den Schweiß vom Gesicht.
    Der Leichenwagen stand in einer Lieferbucht neben einer Rampe, an der Rückseite des Krankenhauses. Vor uns befand sich eine breite Doppeltür – geschlossen und undurchdringlich.
    »Viel Glück«, sagte Key. »Ich warte hier. Aber beeil dich.« Dabei blickte er nervös über die Schulter.
    Ich brachte ein halbes Lächeln zustande. »Danke, Key. Du hast was gut bei mir.«
    Er zwinkerte mir zu. »Keine Ursache.«

31
    Ich warf nur einen Blick auf die Doppeltür. Mit einem Klicken sprang sie auf. Vor mir lag ein Flur mit hellgrünen Bodenfliesen, kalt beleuchtet von Neonlampen. So früh am Morgen war er menschenleer. Schnell trat ich durch die Tür und ließ sie hinter mir ins Schloss fallen.
    Adrenalin und schiere Angst schossen durch meinen Körper, während ich weiterpirschte. Ungefähr in der Mitte des Flurs kam ich zu einem Umkleideraum. Es roch nach Desinfektionsmitteln. Metallspinde zogen sich an beiden Längswänden hin. Ich ließ den Blick über die Spindtüren gleiten, eine nach der anderen

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