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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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würde. Einfluss? Jemand mit Einfluss hätte sich wohl kaum hierher verschleppen lassen und würde auch nicht hier festsitzen. Watson hatte sich auf ganzer Linie geirrt. Was für ein Schock!
    »Wie dem auch sei.« Von jetzt auf gleich fühlte ich mich erschöpft. Es war anstrengend, mich in ihrer Nähe aufhalten zu müssen und mich gleichzeitig davon abzuhalten, ihnen die Faust in ihre schändlichen Lügenmäuler zu rammen. »Ich werde Ihnen nicht helfen.«
    »Für wen hältst du dich, dass du uns verurteilst?«
    »Ganz genau«, sagte ich. »Ich bin eine schreckliche Person. Eine Schlampe, eine Lügnerin, selbstsüchtig und ganz bestimmt kein Genie. Und das alles war ich schon vor meinem Tod. Jetzt bin ich noch viel schrecklicher. Und ich verurteile Sie immer noch. Was sagt Ihnen das?«
    »Dass du nicht mehr so bist wie früher. Also kannst du uns auch helfen.«
    Hör zu, du nichtsnutzige Harpyie, ich kann mich ja nicht einmal selbst hier herausbringen, und da glaubst du, ich würde meine Vielflieger-Bonusmeilen für euch verschwenden?
    Das sagte ich jedoch nicht. Was über meine Lippen kam, war Folgendes: »Jess wird von mir niemals erfahren, dass ich Sie getroffen habe. Sie wird nie erfahren, dass Sie hier sind. Sie wird vielleicht eine Ahnung haben, aber sie wird es nicht mit Sicherheit wissen. Und Sie werden niemals die Großeltern dieser merkwürdigen Babys sein, denn Sie werden sie nie kennenlernen. Und wir werden den Kleinen nichts über Sie erzählen. Für die Babys werden Sie jemand sein, der lange vor ihrer Geburt gelebt hat. Für sie werden ihre Großeltern ungefähr so real sein wie für mich das Onlinebanking. Man hat schon mal davon gehört, es interessiert einen aber nicht die Bohne.«
    »Das kannst du nicht tun! Jessica würde …«
    »Nehmen Sie nicht ihren Namen in den Mund, Sie nichtsnutziges Miststück! Ich will nie wieder ihren Namen aus Ihrem Mund hören.«
    »Wir haben uns verändert!« Schon wieder wiederholte sie diese Behauptung, und ich hätte gewettet, dass sie sogar glaubte, was sie sagte. Lächerlich und traurig zugleich. Oder nur traurig und traurig. »Ich weiß, dass wir uns verändert haben.«
    »Das haben Sie nicht. Genauso wenig, wie ich mich verändert habe. Und deshalb werden Sie bleiben, und ich gehe.« Mr Watson öffnete den Mund, und ich erhob den Zeigefinger. »Wenn einer von Ihnen beiden auch nur ein weiteres Wort sagt, reiße ich Sie in Stücke. Ich werde mit Ihren Gedärmen unter meinen Fingernägeln nach Hause reisen.«
    Endlich sprach ich eine Sprache, die sie verstanden. Sie gaben keinen Mucks mehr von sich, als ich sie stehen ließ und davonmarschierte. Ant lief neben mir her, und nach ungefähr einer Minute wusste ich, dass ich die Watsons selbst dann nicht mehr sehen würde, wenn ich mich nach ihnen umdrehte.
    Ich drehte mich aber nicht um. Ebenso wenig wie meine Stiefmutter.

24
    Ich saß an Dr. Taylors Küchentisch und sah zu, wie sich der Antichrist und Jessica einen Müsliriegel in Backsteingröße teilten. Meine Schwiegermutter lebte in einem Haus mit drei Schlafzimmern und zweieinhalb Badezimmern. (Als junger Mann habe ich mich über das »-einhalb« immer sehr amüsiert, denn es ließ unwillkürlich in meinem Kopf das Bild entstehen, wie ein Immobilienmakler vor einer halbierten Toilette stand und deren Vorteile anpries.) Dr. Taylors Heim war bezaubernd – mit creme- und lavendelfarbenen Wänden, hellblauem Teppichboden und tipptopp in Schuss gehalten. Ihre zahlreichen Auszeichnungen und Diplome schmückten die Wohnzimmerwände, und überall fanden sich Bilder von ihr und Elizabeth. In ihrer Jugend hatte meine Gemahlin das dritte Schlafzimmer ihren Schuhen gewidmet. Nun gehörte es meinem Mündel Baby Jon und war zum Bersten vollgestopft mit Kindergerümpel. Dr. Taylor war in der Tat eine sehr nachsichtige und großherzige Mutter.
    Bei meinen gelegentlichen Besuchen genoss ich es, mir einen Einblick zu verschaffen, wie das Leben meiner Ehefrau verlaufen war, bevor sie meine Königin wurde. Unter den Bildern an den Wänden fand sich auch ein Polizeifoto aus Teenagerzeiten von ihr. Sie blickte finster in die Kamera. Eines ihrer Augen zierte ein Veilchen, und ihr Haar war ziemlich kurz geschnitten, in einem Stil, den Tina als »Koboldfrisur« bezeichnete.
    Schiere Sturheit hielt mich davon ab, mich nach diesem Foto zu erkundigen. Elizabeth und Mrs Taylor wussten beide von meiner Neugier und warteten zuversichtlich darauf, dass ich die Unwissenheit nicht länger

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