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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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dich, Laura!«, widersprach Jessica in gereiztem Ton. »Natürlich ist das so. Zuerst hast du sie gemocht – nein, das ist nicht richtig. Du …« Ihr Blick schweifte auf der Suche nach dem richtigen Wort zur Decke.
    »Du mochtest die
Vorstellung
von ihr«, sagte sie schließlich. »Die Vorstellung, eine große Schwester zu haben. Aber sie sah deinem Fantasiebild so gar nicht ähnlich, oder? Sie war das genaue Gegenteil, wette ich. Wenn man bedenkt, wie sehr du dich danach sehnst, ein guter Mensch zu sein, war es für dich bestimmt der wahre Horror, als du entdeckt hast, dass deine große Schwester die Königin der Untoten ist. Sosehr du es auch drehst und wendest, dem konntest du ganz bestimmt nicht viel Positives abgewinnen.«
    Vor Erstaunen wäre mir beinahe der Mund aufgeklappt. Schon zuvor war mir der Gedanke gekommen, dass niemand Elizabeth so gut kannte wie ihre liebe Freundin. Sie kannte sie jedoch noch besser, als mir bewusst gewesen war. Ich war ein Narr, dass ich diese Tatsache derart auf die leichte Schulter genommen hatte. Jessica besaß ein erstaunliches Einfühlungsvermögen. Ich mochte sie und wusste auch von den Qualen, die sie zu erdulden gehabt hatte, dennoch hatte ich sie bisher immer nur geringschätzig als ein Kind mit Treuhandvermögen betrachtet. Als jemanden, dem alles in den Schoß gefallen war, der sein Vermögen nicht selbst verdient hatte. Meine Scham wurde nur noch von meiner Bewunderung übertroffen.
    »Woher weißt du das?«, fragte Laura.
    »Hm?« Jessica sah von dem glucksenden Kleinkind auf, in dessen Sabber sich nun Müsliriegelkrümel befanden. »Was?«
    »Dass ich mich danach sehne, ein guter Mensch zu sein.«
    »Von Betsy, du dumme Kuh! Sie hat es mir erzählt. Auch sie will zu den Guten gehören. Ihr beiden habt viel mehr gemeinsam, als ihr zugeben wollt. Jawohl, das habt ihr.« Sie schob dem glucksenden Baby Jon einen weiteren Happen Müsliriegel in den Mund.
    »Ich hasse sie nicht«, wiederholte der Antichrist leise mit gesenktem Kopf. »Ich will nur, dass sie ein besserer Mensch wird. Ich möchte auch ein besserer Mensch werden. Sie sagt, sie hat Angst, dass sie zu …« Ein Seitenblick auf meine Schwiegermutter, ein Seitenblick zu mir. Kaum merklich drehte ich den Kopf erst nach links, dann nach rechts. »… einem schlechten Menschen wird«, beendete sie den Satz, als sie sich erinnerte, dass Dr. Taylor nicht viel von der Frau wusste, die die Königin als ihr älteres schreckliches Ich zu bezeichnen pflegte. Laura und Elizabeth waren diesem älteren Ich nur kurz begegnet, und wir hatten Dr. Taylor das Schicksal ihrer Tochter verschwiegen. Die Königin hatte darauf bestanden, und wir haben alle geschworen, ihrer Mutter nichts zu verraten. Elizabeth vertraute ihr gelegentlich durchaus Dinge aus ihrem neuen Leben an, aber (verständlicherweise) nicht alles. »Ich glaube, sie hat nicht
genug
Angst davor, wisst ihr? Manchmal denke ich, sie redet nur davon, weil sie meint, es wird von ihr erwartet. Man kann nicht sagen, dass ich sie hasse. Nein, es ist eher so, dass …«
    »… du sie fürchtest«, beendete ich den Satz.
    »Nun … Ja.« Lauras klarer Blick streifte uns alle. »Ihr etwa nicht? Ich meine, seid mal ehrlich, fürchtet ihr sie nicht auch?«
    »Natürlich«, antwortete ich und wurde daraufhin mit erschrockenen und erstaunten Blicken bedacht. »Jeder, der das nicht tut, ist ganz sicher ein Narr. Man kann vieles von mir sagen, auch, dass ich in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht ein Narr gewesen bin. Allerdings nicht, was die Königin anbelangt. Selbstverständlich fürchte ich sie. Könnte ich ihr andernfalls in Liebe und Treue ergeben sein?«
    Ich hätte den auf meine Bemerkung folgenden Aufruhr voraussehen sollen. Allerdings tat ich es nicht. Daraus ließ sich schließen, dass meine törichten Tage wohl doch noch nicht so lange zurücklagen, wie ich angenommen hatte.

25
    »Das war so widerlich, dass mir die Worte fehlen, um zu beschreiben, wie schrecklich das war. Und jetzt bin ich … wie lange hier? Eine Stunde? Einen Tag? Ausgerechnet heute trage ich keine Uhr.« Ich verfluchte mich dafür, dass ich die Armbanduhr und meine Ringe abgenommen hatte, um den Truthahn zu stopfen, den keiner essen würde. Warum nur hatte ich die Uhr abgelegt? Hatte ich wirklich gedacht, ich würde beim Stopfen bis zur Schulter in dem Vogel versinken? Thanksgiving ist furchtbar.
    »Deine Uhr würde hier eh nicht funktionieren«, sagte Ant. Vermutlich wollte sie mich damit

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