Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
Vom Netzwerk:
die ruhige Linie zwischen Himmel und Erde, die sich unendlich dahinzog. Den Horizont zu betrachten fühlte sich an wie die Freiheit selbst. Ich war von Formen besessen, seit ich ein Junge war, und da war diese einfache Linie, die so viel über das Land aussagt.«
    Mamah achtete auf seine Hände. Sobald er über Architektur redete, sprachen seine Hände eine eigene Sprache, formten mit Daumen und Zeigefinger anmutig rechte Winkel oder zeigten mit der flachen Hand horizontale Flächen an.
    »Natürlich ist der Horizont keine schnurgerade Linie, aber ich war ohnehin nicht auf Nachahmung aus. Ich wollte sie in einer Weise abstrahieren, die ihre Essenz ausdrückte. Als ich anfing, eine horizontale Ebene auf die andere zu stapeln – parallel zur Prärie, wie bei deinem Haus –, begannen die Häuser, die ich entwarf, geerdet auszusehen und sich auch so anzufühlen, so, als gehörten sie an den Ort, an dem sie standen.« Frank warf ihr einen raschen Blick zu. »Langweile ich dich?«
    »Überhaupt nicht. Tatsächlich erinnert mich das daran, als ich noch ein kleines Kind war. Wir lebten in Iowa, und damals gab es noch überall die Prärie«, sagte Mamah. »Mein Vater nahm mich auf die Schultern, damit ich einen weiten Blick hatte, und sprach von Wildblumen und Gräsern und Wolken. Er hatte einen Ausdruck für den Grund des Himmels – ›Himmelssaum‹.«
    Frank lächelte. »Das gefällt mir.« Er schwieg eine Weile.
    »Du sprachst von organischer Architektur«, sagte sie.
    »In meinen Augen ist sie die einzig sinnvolle Architektur. Ich möchte nichts anderes mehr machen.«
    »Dann musst du es machen. Ich glaube, es ist dein Schicksal.«
    Er stieß ein Lachen aus und umarmte sie. »Weißt du, was an dir so wunderbar ist, Mamah? Du verstehst Dinge, die andere nicht einmal annähernd erahnen. Die Leute halten mich für sentimental, jemand, der die Prärie verherrlicht, weil es sie beinahe nicht mehr gibt. Aber das ist nicht meine Absicht.«
    Ihr war unbehaglich zumute, und sie löste sich aus seinen Armen. Was will ich eigentlich, fragte sie sich, dass ich so mit dem Feuer spiele, während ich mit dir auf diesem Feld stehe?
    Sie traten ein paar Schritte auseinander. Der Wind schien sich ein wenig gelegt zu haben.
    »Es tut mir leid«, sagte er schließlich. »Es war eine solche Erleichterung, darüber zu sprechen. Mit dir ist das so einfach. In Wahrheit führe ich zu Hause eine ziemlich lächerliche Existenz. Ich liebe meine Kinder, aber…« Er zuckte die Schultern. »Mein Leben gehört nicht ihnen, wie das bei Catherine der Fall ist. Ihr ganzes Sein ist auf sie ausgerichtet. Bei mir ist das bei meiner Arbeit der Fall. Ich weiß – ich habe mich in meine Arbeit geflüchtet. Aber Catherine und ich sind in einer Sackgasse angelangt. Und wir stecken zu tief darin, um etwas zu ändern.«
    Mamah dachte, Bring mich nach Hause . Sie hatten das sichere Terrain der Architektur hinter sich gelassen. »Menschen verändern sich mit der Zeit«, sagte sie. »Ich denke, das passiert in vielen Ehen.«
    Frank wartete ab.
    »In meiner Ehe ist es allerdings nicht passiert«, sagte sie. »Ich war alt genug – zu alt. Mein Kopf hat vor meinem Herzen den Ausschlag gegeben.« Sie sah zu Boden und schämte sich, Edwin so zu verraten. »Ed ist ein guter, anständiger Mann«, sagte sie. »Wir passen einfach nicht zueinander.« Sie gestand ihm nicht, was sie die letzten Tage gedacht hatte. Dass sie in letzter Zeit, wenn ihr Mann das Zimmer betrat, das Gefühl hatte, als sei alle Luft herausgesogen.
    Am dritten Tag nützte es nichts, so zu tun als ob. Es gab flüchtige Zärtlichkeiten, gefolgt von langen Phasen des Schweigens.
    Am vierten Morgen erwachte Mamah mit Übelkeit und wusste beinahe auf der Stelle Bescheid. Sie rief in FranksBüro an und hinterließ eine Nachricht bei seiner Sekretärin: Mrs. Cheney kann das heutige Treffen nicht einhalten.
    Als er am darauffolgenden Dienstag unangemeldet vor der Tür stand, ließ sie die Fliegengittertür geschlossen, als sie ihm mitteilte, dass sie sich nicht mehr mit ihm treffen würde. Er stand auf der Türschwelle und wirkte verzweifelt.
    Sie legte ihre Hand auf das Drahtgitter zwischen ihnen. »Frank«, sagte sie und legte den Kopf in den Nacken, damit ihre Tränen nicht überflossen. »Ich habe es gerade erst herausgefunden.« Sie zwang sich, fröhlich zu klingen. »Ed und ich erwarten ein Kind.«
    Mamahs Tagtraum endete unvermittelt, sie stieg aus der Wanne und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo

Weitere Kostenlose Bücher