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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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»Manila«, was einen neuen Lachanfall auslöste. Diese Reimspiele der beiden fanden jeden Abend statt. Und sie lachten sich jeden Abend erneut dabei kaputt.
    Jack rubbelte Max trocken, zog ihm seinen Pyjama an und brachte ihn ins Bett. Er las ihm zwei Kapitel von »Charlie und die Schokoladenfabrik« vor. Max lauschte auf jedes Wort, ging völlig in der Geschichte auf. Emma war alt genug, selbst zu lesen. Sie lag in ihrem Bett, verschlang das letzte rätselhafte Abenteuer der Waisenkinder in Lemony Snicket. Grace saß bei ihr und zeichnete eine halbe Stunde. Dies war für sie die schönste Zeit des Tages  – still am Bett ihres ältesten Kindes arbeiten zu können.
    Als Jack geendet hatte, bettelte Max um ein drittes Kapitel. Jack blieb hart. Es sei spät, entgegnete er. Max fügte sich widerwillig. Sie redeten noch ein paar Minuten über Charlies bevorstehenden Besuch in Willy Wonkas Fabrik. Grace hörte zu.

    Roald Dahl, da waren sich beide Männer einig, war ein Knaller.
    Jack dimmte das Licht. Max mochte es nicht dunkel. Dann konnte er nicht schlafen. Schließlich kam Jack in Emmas Zimmer. Er beugte sich über sie, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Emma, ganz Papas Mädchen, schlang die Arme um seinen Hals und wollte ihn nicht fortlassen. Jack schmolz bei Emmas geschicktem allabendlichem Manöver dahin, mit dem sie ihm ihre Zuneigung zeigte und gleichzeitig die Zeit zum Einschlafen hinauszögerte.
    »Was Neues in der Schule?«, fragte Jack.
    Emma nickte. Ihr Schulranzen stand neben dem Bett. Sie griff hinein und förderte ihr Schulheft zutage. Sie schlug eine Seite auf und reichte es ihrem Vater.
    »Wir schreiben Gedichte«, erklärte sie. »Ich hab heute eins gemacht.«
    »Toll. Willst du’s mir vorlesen?«
    Emmas Wangen glühten. Jack strahlte. Sie räusperte sich und legte los:
    Basketball, Basketball,
warum bist du so drall?
Hüpfst so vollkommen
bist braun, dass ich staun.
Tennisball, Tennisball,
warum bist du so filzig?
Wenn dich der Schläger trifft,
wird’s dir dann schwind’lig?
    Grace beobachtete die Szene von der Tür aus. Jack arbeitete in letzter Zeit sehr viel. Normalerweise machte ihr das nichts aus. Ruhige Momente wurden sowieso immer seltener. Sie brauchte diese erholsamen Pausen. Einsamkeit, Vorbote der Langeweile,
ist dem künstlerischen Schaffensprozess durchaus zuträglich. Langeweile erzwingt Inspiration, und sei es nur, um nicht den Verstand zu verlieren. Ein befreundeter Schriftsteller behauptete, die beste Medizin gegen Schreibblockaden wäre die Lektüre des Telefonbuchs. Langeweile zwingt die Muse durch die schlimmsten Blockaden an die Oberfläche.
    Als Emma fertig war, lehnte sich Jack zurück und sagte: »Donnerwetter!«
    Emma sog die Lippen zwischen die Zähne, eine Grimasse, die sie immer zog, wenn sie stolz auf etwas war, es aber nicht zeigen wollte. »Das ist das beste Gedicht, das mir je untergekommen ist. Ehrlich.«
    Emma zuckte mit gesenktem Kopf die Schultern. »Waren nur die ersten beiden Strophen.«
    »Dann sind das eben die tollsten beiden ersten Strophen, die mir je untergekommen sind. Ehrenwort.«
    »Morgen schreibe ich eins über Hockey.«
    »Da wir gerade davon reden …«
    Emma setzte sich auf. »Was ist?«
    Jack lächelte. »Ich habe Karten für die Rangers im Madison Square Garden Stadion. Für Samstag.«
    Emma, die im Gegensatz zu anderen Mädchen sich weniger für Musik, dafür umso mehr für Sport interessierte, stieß einen Jubelschrei aus und umarmte ihren Vater erneut. Jack rollte mit den Augen und ließ es geschehen. Sie sprachen über die jüngsten Erfolge des Teams, wetteten auf seine Gewinnchancen gegen die Minnesota Wild. Wenige Minuten später löste sich Jack aus der Umarmung seiner Tochter und sagte ihr, dass er sie lieb hatte. Sie erwiderte, sie hätte ihn ebenfalls lieb. Jack ging in Richtung Tür.
    »Ich muss jetzt unbedingt was essen«, flüsterte er Grace zu.
    »Ist noch eine Portion Hühnchen im Kühlschrank.«
    »Warum schlüpfst du inzwischen nicht in was Bequemeres?«
    »Der Mensch hofft, solange er lebt.«

    Jack zog die Augenbrauen hoch. »Hast du immer noch Angst, nicht genug Frau für mich zu sein?«
    »Ah, dabei fällt mir ein …«
    »Was?«
    »Hat was mit Coras Rendezvous von gestern Abend zu tun.«
    »Heiße Sache?«
    »Bin gleich unten.«
    Er zog auch noch die andere Augenbraue hoch und eilte mit einem leisen Pfiff die Treppe hinunter. Sie löschte das Licht und wartete einen Moment. Das war eigentlich Jacks Aufgabe.

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