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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Pralinen.«
    »Nein, ich meine, wer schickt mir das?«
    Wu tat so, als würde er auf einen Zettel sehen. »Ein Mr. Singer.«
    Volltreffer. Der Riegel glitt zur Seite. Wu schaute sich rasch um. Niemand zu sehen. Freddy Sykes öffnete die Tür mit einem Lächeln. Wu zögerte keine Sekunde. Seine Finger formten eine Speerspitze und zielten mit der Schnelligkeit eines auf seine Beute herabstoßenden Raubvogels auf Freddys Kehle. Freddy ging zu Boden. Wu bewegte sich mit einer für seine bullige Statur erstaunlichen Geschicklichkeit. Er schlüpfte ins Haus und schloss die Tür hinter sich.
    Freddy Sykes lag auf dem Rücken, die Hände um den Hals gekrampft. Er versuchte zu schreien, brachte jedoch nur ein klägliches Quietschen hervor. Wu beugte sich über ihn und warf ihn mit einem Griff schwungvoll auf den Bauch. Freddy wehrte sich. Wu zerrte das Hemd seines Opfers hoch. Freddy trat nach ihm. Wus erfahrene Finger glitten Freddys Wirbelsäule hinauf, bis er den richtigen Druckpunkt zwischen dem vierten und fünften Halswirbel gefunden hatte. Freddy trat weiter nach ihm. Mit einem Bajonett aus Daumen und Zeigefinger stieß er so heftig zwischen die Wirbel, dass die Haut beinahe geplatzt wäre.

    Freddy erstarrte.
    Wu erhöhte den Druck, zwang die Wirbel aus ihren Gelenksockeln. Dann versenkte er seine Finger immer tiefer zwischen beide Wirbel, fand, was er suchte, und zupfte daran. Etwas in Freddys Wirbelsäule schnappte entzwei wie die Seite einer Gitarre.
    Freddys Treten hatte ein Ende.
    Jede Bewegung erstarb.
    Doch Freddy Sykes lebte noch. Das war gut. Das war der Sinn der Übung gewesen. Früher hatte er sie sofort getötet. Mittlerweile wusste er es besser. Ein lebendiger Freddy konnte seinen Boss anrufen und ihm sagen, dass er ein paar Tage freinehmen würde. Lebend konnte er seine PIN-Nummer verraten, falls Wu Geld aus dem Bankautomaten brauchte. Lebend konnte er Nachrichten auf dem Anrufbeantworter beantworten, falls tatsächlich jemand anrufen sollte.
    Und bei einem lebendigen Freddy brauchte Wu sich keine Sorgen wegen des Gestanks zu machen.

    Wu stopfte Freddy einen Knebel in den Mund und ließ ihn nackt in der Badewanne liegend zurück. Mit dem Druck auf Freddys Wirbelflächen hatte er die Wirbel aus ihren Kapseln gesprengt. Damit war die Wirbelsäule zwar deformiert, aber das Rückenmark war nicht durchtrennt. Wu prüfte das Ergebnis seiner Fingerfertigkeit. Freddy hatte keinerlei Gewalt mehr über seinen Bewegungsapparat. Seine Oberarmmuskeln waren vielleicht noch intakt. Hände und Unterarme hingegen waren außer Funktion gesetzt. Aber, was noch wichtiger war, Freddy konnte weiterhin ohne fremde Hilfe atmen.
    Freddy Sykes war praktisch gelähmt.
    Sykes in der Badewanne zu belassen, hatte den Vorteil, dass eventuell vorkommende Schweinereien einfach mit dem Wasserstrahl in den Abfluss gespült werden konnten. Freddys Augen
waren unnatürlich weit aufgerissen. Wu kannte diesen Blick: jenseits der Angst, aber an der Schwelle des Todes, die Dumpfheit, die sich einstellt, bevor sich die Waagschalen des Schicksals in die eine oder andere Richtung neigen.
    Die Notwendigkeit, Freddy zu fesseln, erübrigte sich.
    Wu saß im Dunkeln und wartete, dass die Nacht hereinbrach. Er schloss die Augen und ließ seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen. In Rangoon gab es Gefängnisse, in denen sie Wirbelbrüche während der Strangulation untersuchten. Auf diese Weise erfuhren sie, wo exakt ein Knoten anzubringen, wo genau Gewalt anzuwenden war und welche Auswirkungen die unterschiedlichen Positionierungen hatten. In Nordkorea, in der Haftanstalt für politische Gefangene, die Wu vom dreizehnten bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr sein Zuhause genannt hatte, hatten sie die Experimente noch einen Schritt weiter getrieben. Staatsfeinde wurden auf kreative Weise getötet. Wu hatte viele mit bloßen Händen ins Jenseits befördert. Er hatte seine Hände im Schlagabtausch mit Pflastersteinen gestählt. Hatte die Anatomie des Menschen auf eine Art studiert, um die ihn die meisten Medizinstudenten beneiden würden. Er hatte am lebendigen Objekt geübt und seine Techniken perfektioniert.
    Der exakte Punkt zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel. Das war das Entscheidende. Nur den Bruchteil eines Millimeters höher, und die Lähmung war endgültig, irreversibel. Und führte ziemlich rasch zum Tod. Arme und Beine konnte man vergessen, wenn die inneren Organe versagten. Nur ein Stückchen tiefer und der Griff lähmte

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