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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Er wanderte nachts, wenn er nicht schlafen konnte, im Haus herum und bewachte die Kinder in ihrem Schlaf. Es gab Nächte, da wachte sie auf und fand den Platz neben sich verlassen. Jack stand dann mit glasigen Augen in einer der Türen. Wenn sie zu ihm trat, sagte er: »Man liebt sie so sehr …« Mehr brauchte er nicht zu sagen. Im Grunde brauchte er nicht einmal das zu sagen.
    Jack hörte sie nicht näher kommen. Und aus irgendeinem Grund wollte Grace sich nicht bemerkbar machen und blieb stumm. Jack wirkte wie erstarrt, hatte ihr den Rücken zugewandt, den Kopf gesenkt. Das war ungewöhnlich. Jack war ständig in Bewegung. Normalerweise. Wie Max konnte er nie still sitzen. Er zappelte. Er wippte mit den Beinen. Er stand ständig unter Strom.
    In diesem Augenblick jedoch blickte er auf die Küchentheke – oder vielmehr auf das fremde Foto, das dort lag – und war wie zur Salzsäule erstarrt.
    »Jack?«
    Er fuhr herum. »Was zum Teufel soll das hier?«
    Sein Haar, das fiel ihr in diesem Moment auf, war etwas zu lang geworden. »Sag du es mir. Ich habe keine Ahnung.«
    Er schwieg.
    »Das bist doch du, oder? Der mit dem Bart?«
    »Was? Nein!«
    Sie musterte ihn. Er blinzelte und wandte den Blick ab.

    »Ich habe heute unseren letzten Film abgeholt«, erklärte sie. »Im Fotogeschäft.«
    Er sagte noch immer nichts. Sie trat näher.
    »Diese Aufnahme lag mitten zwischen unseren Fotos.«
    »Moment!« Er sah hastig auf. »Das lag zwischen unseren Bildern?«
    »Ja.«
    »Welcher Film war das?«
    »Den, den wir bei der Apfelernte aufgenommen haben.«
    »Das ist doch verrückt.«
    Sie zuckte die Schultern. »Wer sind die anderen auf dem Bild?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Die Blondine neben dir«, begann Grace. »Die mit dem X über dem Gesicht. Wer ist sie?«
    Jacks Handy klingelte. Er ließ es aufklappen wie ein Messer. Er murmelte ein »Hallo«, hörte zu, legte die Hand über die Sprechmuschel und sagte: »Es ist Dan.« Dan war sein Kollege im Forschungslabor bei Pentocol Pharmaceutics. Er senkte den Kopf und verschwand in Richtung Arbeitszimmer.
    Grace ging in den ersten Stock hinauf. Sie machte sich bettfertig. Was als leiser Zweifel begonnen hatte, zerrte immer stärker an ihren Nerven. Sie dachte zurück an die Jahre in Frankreich. Jack hatte es stets vermieden, über seine Vergangenheit zu sprechen. Seine Familie war wohlhabend, und ihm gehörte ein Teil eines Treuhandfonds. Mehr wusste sie nicht. Er wollte weder mit der einen noch dem anderen etwas zu tun haben. Es gab auch noch eine Schwester, Anwältin, drüben in Los Angeles oder San Diego. Sein Vater lebte noch, war jedoch alt und gebrechlich. Grace hätte gern mehr erfahren, doch Jack weigerte sich, ins Detail zu gehen. Das wiederum machte ihr Angst und hinderte sie daran, weiter in ihn zu dringen.
    Sie hatten sich ineinander verliebt. Sie malte. Er arbeitete in
einem Weingut in Saint-Emilion im Bordeaux. Sie lebten in Saint-Emilion, bis Grace mit Emma schwanger wurde. Mit einem Mal bekam sie Heimweh – den Wunsch, ihre Kinder im Land der Freien und Mutigen aufzuziehen. Jack wollte bleiben, doch Grace hatte nicht nachgegeben. Jetzt fragte sich Grace, weshalb.
    Eine halbe Stunde verstrich. Grace schlüpfte unter die Decke und wartete. Zehn Minuten später hörte sie, wie ein Automotor aufheulte. Sie sah aus dem Fenster.
    Jacks Minivan fuhr aus der Auffahrt.
    Jack fuhr gern noch abends spät zum Einkaufen. Leere Supermärkte reizten ihn. Dass er um diese Stunde noch wegfuhr, war nichts Ungewöhnliches. Nur hatte er ihr diesmal weder Bescheid gesagt noch gefragt, ob sie noch etwas Bestimmtes brauchten.
    Grace rief ihn auf seinem Handy an. Die Mailbox schaltete sich ein. Sie lehnte sich zurück und wartete. Nichts. Sie versuchte zu lesen. Die Worte verschwammen vor ihren Augen, wurden bedeutungslos. Zwei Stunden später versuchte Grace erneut, ihn auf dem Handy zu erreichen. Wieder meldete sich nur die Mailbox. Sie sah nach den Kindern. Beide schliefen tief und fest, hatten offenbar nichts bemerkt.
    Schließlich hielt Grace es nicht länger aus. Sie ging ins Erdgeschoss hinunter. Sie blätterte den Stapel Fotos durch.
    Das fremde Foto war verschwunden.

2
    Die meisten Menschen durchsuchen persönliche Daten im Internet, um einen Partner zu finden.
    Eric Wu suchte Opfer.
    Er unterhielt sieben verschiedene Internet-Adressen von sieben verschiedenen, fiktiven Personen – einige männlich, einige weiblich. Er versuchte, unter jeder dieser Adressen

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