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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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gerade öffnen, als ein Mann mit Schweißperlen auf der Stirn seinen kahlen Schädel heraussteckte.
    »Was gibt’s, Kumpel?«
    Der Mann trug einen blauen Trainingsanzug. Unter der Jacke lugte sein dichtes, krauses Brusthaar hervor. Er war groß und vierschrötig. Wu streckte die rechte Hand aus und packte den Mann am Hinterkopf. Dann schnellte sein Arm vor. Sein linker Ellbogen grub sich tief in den Adamsapfel des Mannes. Er durchbrach den Kehlkopf. Die Luftröhre knackte wie ein morscher Ast. Der Mann ging in die Knie, sein Oberkörper zuckte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wu stieß ihn in den Van und schlüpfte hinterher.
    Drinnen lagen ein Walkie-Talkie, ein Fernglas und eine Pistole. Wu steckte die Waffe in den Hosenbund. Der Oberkörper des Mannes zuckte noch immer wie wild. Lange würde er nicht mehr leben.
    Drei Minuten bis die Schulklingel ertönen sollte.
    Wu schloss die Hecktür des Vans ab und lief zu der Straße zurück, wo Grace Lawson parkte. Mütter standen am Zaun aufgereiht und erwarteten ihre Kinder. Grace Lawson war inzwischen aus dem Wagen gestiegen und wartete allein an der Straße. Das war gut.
    Wu ging auf sie zu.

    Auf der gegenüberliegenden Seite des Schulhofes dachte Charlaine Swain über Kettenreaktionen und Dominoeffekte nach.
    Hätten sie und Mike keine Probleme gehabt.
    Hätte sie nicht aus dem Fenster gesehen, als Eric Wu sich gezeigt hatte.
    Hätte sie nicht das Schlüsselversteck geöffnet und die Polizei verständigt.
    Doch in dem Augenblick, als sie am Spielplatz vorbeiging, holte die Kettenreaktion sie erneut in der Gegenwart ein: Hätte Mike nicht das Bewusstsein wieder erlangt, hätte er nicht darauf
bestanden, dass sie sich um die Kinder kümmerte, hätte Perlmutter sie nicht über Jack Lawson ausgefragt, nun, dann hätte Charlaine nicht in Grace Lawsons Richtung gesehen.
    Aber Mike hatte darauf bestanden. Er hatte sie daran erinnert, dass die Kinder sie brauchten. Deshalb war sie hier. Holte Clay von der Schule ab. Und Perlmutter hatte Charlaine gefragt, ob sie Jack Lawson kenne. Als Charlaine daher den Schulhof erreichte, war es nur natürlich, wenn nicht unvermeidlich, dass sie hier nach der Frau dieses Mannes Ausschau hielt.
    Und so kam es, dass Charlaine zu Grace Lawson hinübersah.
    Sie war versucht gewesen, Grace anzusprechen – denn eigentlich war das der Grund gewesen, weshalb sie Clay so bereitwillig von der Schule abholte –, doch dann sah sie, wie Grace ihr Handy zückte und zu telefonieren begann. Charlaine beschloss, sich zurückzuhalten.
    »Hallo, Charlaine!«
    Eine beliebte, für ihre Redseligkeit bekannte Mutter, die sich bisher nie dazu herabgelassen hatte, mit Charlaine zu sprechen, stand plötzlich mit gespielter Besorgnis im Gesicht vor ihr. In den Zeitungen war Mikes Familienname nicht erwähnt worden. Es wurde lediglich von einer Schießerei berichtet. Doch in einer Kleinstadt funktionieren die Buschtrommeln ausgezeichnet.
    »Ich habe das mit Mike gelesen. Ist er okay?«
    »Bestens.«
    »Was ist passiert?«
    Zu ihrer Rechten baute sich eine andere Frau auf. Zwei weitere drängten nach. Dann noch zwei. Sie kamen jetzt aus allen Richtungen, die Mütter, versperrten ihr den Weg und beinahe auch den Blick.
    Beinahe.
    Einen Moment lang war Charlaine unfähig, sich zu bewegen. Sie stand wie erstarrt da und beobachtete, wie er sich Grace Lawson näherte.

    Er hatte sein Äußeres verändert. Er trug jetzt eine Brille. Sein Haar war nicht mehr blond. Aber es gab keinen Zweifel. Es war derselbe Mann.
    Es war Eric Wu.
    Noch in einer Entfernung von über dreißig Metern überlief ein Schaudern Charlaine, als Wu seine Hand auf Grace Lawsons Schulter legte. Sie beobachtete, wie er sich hinunterbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte.
    Und dann sah sie, wie Grace Lawson erstarrte.

    Grace wunderte sich über den Asiaten, der auf sie zukam.
    Sie erwartete, dass er an ihr vorbeigehen würde. Er war zu jung, um zur Elterngemeinde zu gehören. Grace kannte die meisten Lehrer. Er war keiner von ihnen. Vermutlich ein neuer Referendar. Das musste es sein. Sie dachte nicht weiter darüber nach. Sie hatte andere Sorgen.
    Grace hatte die Sachen für eine mehrtägige Reise gepackt. Sie hatte eine Cousine, die in der Nähe der Penn State University mitten in Pennsylvania wohnte. Das war ein mögliches Ziel. Sie hatte sich nicht telefonisch angemeldet. Sie wollte keinerlei Spuren hinterlassen.
    Nachdem sie wahllos ein paar Kleidungsstücke in den Koffer geworfen hatte, zog

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