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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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sie die Tür ihres Schlafzimmers zu. Sie nahm die kleine Pistole heraus, die Cram ihr gegeben hatte, und legte sie aufs Bett. Lange betrachtete sie sie einfach nur. Sie war von jeher eine leidenschaftliche Gegnerin von Waffen gewesen. Wie bei den meisten vernünftigen Menschen war die Vorstellung davon, was eine im Haus herumliegende Waffe anrichten konnte, Abschreckung genug. Aber wie Cram am Vortag treffend bemerkt hatte: Man hatte das Leben ihrer Kinder bedroht.
    Die Trumpfkarte.

    Grace schnallte sich das leichte Nylonhalfter um ihr gesundes Bein. Das Material kratzte und war unbequem. Sie tauschte ihren Rock gegen Jeans mit leicht ausgestellten Hosenbeinen. Auf diese Weise war die Waffe unsichtbar, ohne dass sie sich eingeengt fühlen musste.
    Sie griff sich Bob Dodds Paket mit den Utensilien aus dessen Büro bei der New Hampshire Post und fuhr zur Schule. Sie hatte noch ein paar Minuten Zeit, blieb im Wagen und schaute die Sachen durch. Grace hatte keine Ahnung, was sie sich davon versprochen hatte. Das Paket enthielt eine Menge Schreibtischutensilien – eine kleine amerikanische Flagge, einen Kaffeebecher, einen Adressenstempel, einen Briefbeschwerer von Lucite. Füller, Bleistifte, Radiergummis, Büroklammern, Tintenkiller, Heftzwecken und Heftklammern, Haftnotizzettel.
    Grace ging das Zeug eilig durch, um sich dann den Akten zuzuwenden, doch die Ausbeute war gering. Dodd hatte seine Arbeiten offenbar hauptsächlich am Computer erledigt. Sie fand einige Disketten, sämtlich unbeschriftet.
    An schriftlichen Unterlagen konnte sie lediglich Zeitungsausschnitte entdecken. Es waren Artikel aus der Feder von Bob Dodd. Grace blätterte sie hastig durch. Cora hatte Recht gehabt. Es handelte sich hauptsächlich um unbedeutende Enthüllungsgeschichten. Leser beschwerten sich. Bob Dodd recherchierte. Kaum der Stoff, aus dem Morde aus Rache gemacht sind. Oder doch? Oft sind es die kleinen Dinge, die Lawinen auslösen.
    Sie wollte gerade aufgeben – hatte eigentlich schon aufgegeben  –, als sie zuunterst das Schreibtischfoto entdeckte. Es lag mit der Vorderseite nach unten. Mehr aus Neugier als in der Hoffnung, etwas Aufschlussreiches zu finden, drehte sie es um. Es war das klassische Urlaubsfoto. Bob Dodd mit seiner Frau Jillian stand am Strand, beide lächelnd mit strahlend weißen Zähnen,
beide in Hawaiihemden. Jillian hatte rotes Haar. Ihre Augen standen weit auseinander. Grace begriff plötzlich, was Bob Dodd mit der ganzen Sache zu tun hatte. Und sein Beruf als Reporter spielte dabei nicht die geringste Rolle.
    Seine Frau, Jillian Dodd, war Sheila Lambert.
    Grace schloss die Augen und massierte sich die Nasenwurzel. Dann legte sie alles sorgfältig in den Karton zurück. Sie stellte ihn auf den Rücksitz und stieg aus dem Wagen. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Die vier Mitglieder der Band Allaw  – alles lief auf sie hinaus. Sheila Lambert, das wusste Grace jetzt, war im Land geblieben. Sie hatte ihre Identität gewechselt und geheiratet. Jack hatte sich in ein kleines Dorf in Frankreich zurückgezogen. Shane Alworth war entweder tot oder an einem unbekannten Ort – vielleicht, wie seine Mutter behauptete, half er den Armen in Mexiko. Geri Duncan war ermordet worden.
    Grace sah auf die Uhr. In wenigen Minuten sollte die Schulglocke klingeln. Dann fühlte sie ihr Handy am Gürtel vibrieren. »Hallo?«, meldete sie sich.
    »Mrs. Lawson. Hier spricht Captain Perlmutter.«
    »Hallo, Captain. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    »Ich hole gerade meine Kinder von der Schule ab.«
    »Soll ich bei Ihnen vorbeikommen?«
    »Meine Kinder haben in wenigen Minuten Schule aus. Ich komme aufs Revier.« Erleichterung überkam sie. Diese unausgegorene Idee, nach Pennsylvania zu flüchten, war des Guten zu viel. Vielleicht wusste Perlmutter ja etwas. Vielleicht würde er ihr jetzt glauben, nach allem, was sie mittlerweile über das Foto wusste. »Ist das in Ordnung?«
    »Ausgezeichnet. Ich warte.«
    Kaum hatte Grace das Handy zugeklappt, fühlte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie drehte sich um. Die Hand gehörte zu dem
jungen Mann asiatischer Herkunft. Er beugte den Kopf an ihr Ohr.
    »Ich habe Ihren Mann«, flüsterte er.

42
    »Charlaine? Alles in Ordnung?«
    Es war die beliebte, so gesprächige Mutter. Charlaine achtete nicht auf sie.
    Okay, Charlaine, denk nach.
    Was, so fragte sie sich, würde die dämliche Heldin im Film jetzt tun? So hatte sie das Spiel in der

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