Kein böser Traum
verdammte immer nass geweinte Kissen in Emmas Bett unternehmen?
Fragen wie diese.
Scott Duncan kam eine Woche nach Sandras Verhaftung vorbei. Als sie die Tür öffnete, sagte er: »Ich habe was gefunden.«
»Was denn?«
»Das war bei Geris Sachen«, antwortete Duncan.
Er reichte ihr eine abgewetzte Kassette. Sie trug keinen Aufkleber. Jemand hatte mit schwarzer Tinte ALLAW darauf geschrieben.
Sie gingen wortlos ins Arbeitszimmer. Grace steckte die Kassette in den Recorder ihrer Anlage und drückte auf die Play-Taste.
»Invisible Ink« kam als dritter Song.
Es gab Ähnlichkeiten mit »Pale Ink«. Hätte ein Gericht aufgrund dieser Aufnahme Jimmy des geistigen Diebstahls für schuldig befunden? Es war eine Gratwanderung, doch Grace glaubte, dass nach all den Jahren die Antwort vermutlich Nein lauten
musste. Es gab so viele Musikstücke, die ähnlich klangen. Und wo lag die Grenze zwischen Einfluss und Plagiat? »Pale Ink«, so schien es ihr, war vermutlich irgendwo in der Mitte anzusiedeln.
So vieles, was schief ging, lag in schwer zu definierenden Grenzbereichen.
»Scott?«
Er sah sie nicht an.
»Findest du nicht, es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen?«
Er nickte bedächtig.
Sie wusste nicht recht, wie sie anfangen sollte. »Als du entdeckt hattest, dass deine Schwester ermordet worden ist, hast du dich wie besessen darangemacht, den Fall zu untersuchen. Du hast deinen Job aufgegeben. Du warst wie von Sinnen.«
»Stimmt.«
»Kann nicht so schwierig gewesen sein, herauszufinden, dass sie damals einen Freund gehabt hat.«
»Nein, überhaupt nicht«, stimmte Duncan zu.
»Du hattest herausbekommen, dass sein Name Shane Alworth gewesen ist.«
»Ich habe schon vor dieser Geschichte von Shane gewusst. Sie waren sechs Monate zusammen gewesen. Aber ich dachte, Geri sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Deshalb gab es keinen Grund, seine Spur zu verfolgen.«
»Richtig. Aber nachdem du mit Monte Scanlon gesprochen hattest, hast du es getan.«
»Ja«, sagte er. »Das war das Erste, das ich getan habe.«
»Du hast rausgefunden, dass er ungefähr zum Zeitpunkt des Mordes an deiner Schwester von der Bildfläche verschwunden ist.«
»Stimmt.«
»Und das kam dir komisch vor.«
»Milde ausgedrückt.«
»Schätze, du hast seine alten Studienunterlagen überprüft,
vielleicht sogar seine Zeugnisse von der Highschool. Du hast mit seiner Mutter gesprochen. Kann nicht schwer gewesen sein. Nicht wenn man weiß, wonach man sucht.«
Scott Duncan nickte.
»Du hast also gewusst – noch bevor wir uns getroffen haben –, dass Jack Shane Alworth war.«
»Ja«, gab er zu. »Ich hab’s gewusst.«
»Du hattest ihn im Verdacht, deine Schwester umgebracht zu haben?«
Duncan lächelte freudlos. »Ein Mann ist der Liebhaber deiner Schwester. Er macht Schluss mit ihr. Sie wird ermordet. Er nimmt einen anderen Namen an und verschwindet für fünfzehn Jahre von der Bildfläche.« Er zuckte die Achseln. »Was würdest du daraus schließen?«
Grace nickte. »Du hast mir mal gesagt, es würde dir Spaß machen, auf den Busch zu klopfen.«
»Ganz recht.«
»Und du hast gewusst, dass du Jack nicht einfach auf das Schicksal deiner Schwester ansprechen konntest. Du hattest nichts gegen ihn in der Hand.«
»Auch richtig.«
»Also«, sagte sie, »hast du auf den Busch geklopft.«
Schweigen.
»Ich habe mich mit Josh vom Fotolabor unterhalten«, fing Grace wieder an.
»Aha. Wie viel hast du ihm bezahlt?«
»Tausend Dollar.«
Duncan schnaubte. »Von mir hat er nur fünfhundert gekriegt.«
»Um das Foto in meinen Umschlag zu schmuggeln.«
»Ja.«
Die Melodie änderte sich. Allaw spielte jetzt einen Song über Stimmen und Wind. Ihr Sound war schlicht, aber er hatte Potenzial.
»Du hast den Verdacht auf Cora gelenkt, um mich daran zu hindern, Josh in die Zange zu nehmen.«
»Ja.«
»Du hast darauf bestanden, dass ich dich zu Mrs. Alworth begleite. Du wolltest herausfinden, wie sie reagiert, wenn sie die Kinder sieht.«
»Ich habe eben wieder mal auf den Busch geklopft«, stimmte er zu. »Hast du den Ausdruck in ihren Augen gesehen, als sie Emma und Max beobachtet hat?«
Grace hatte ihn gesehen. Sie hatte nur nicht gewusst, was er bedeutete und weshalb sie ausgerechnet in einer Wohnanlage gelandet war, die direkt an Jacks Weg zu seinem Arbeitsplatz lag. Jetzt natürlich war ihr alles klar. »Und weil man dich gezwungen hatte, deine Stelle aufzugeben, konntest du das FBI nicht benutzen, um uns zu beobachten. Also
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