Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
nicht erinnern, je einen anderen Menschen bei ihm gesehen zu haben. Das bedeutete natürlich nicht, dass er nie Besuch gehabt hatte. Schließlich verbrachte sie ihre Tage nicht damit, sein Haus zu beobachten. Dennoch hatte eine Nachbarschaft ihre eigenen Rituale. Eine
Atmosphäre, wenn man so wollte. Eine Nachbarschaft ist eine lebendige Einheit, man fühlt, wenn etwas nicht stimmt.
    Die Eiswürfel in ihrem Glas begannen zu schmelzen. Charlaine hatte noch keinen Schluck getrunken. Sie musste einkaufen. Mikes Hemden lagen abholbereit in der Reinigung. Außerdem war sie mit ihrer Freundin Myrna bei Baumgart in der Franklin Avenue zum Lunch verabredet. Clay hatte nach der Schule bei Master Kim Karateunterricht.
    Sie ging im Geist die Liste der restlichen Besorgungen durch und versuchte eine Reihenfolge aufzustellen. Geistloses tägliches Einerlei. War vor dem Mittagessen noch Zeit, die Einkäufe nach Hause zu bringen? Vermutlich nicht. Die Tiefkühlwaren würden im Auto zerfließen. Diese Einkäufe mussten also warten.
    Sie hielt inne. Zum Teufel damit!
    Freddy hätte mittlerweile bei der Arbeit sein müssen.
    So jedenfalls lief es immer ab. Ihr perverses kleines Spiel dauerte von zehn bis zehn Uhr dreißig. Gegen zehn Uhr fünfundvierzig hörte Charlaine stets die Garagentür. Dann beobachtete sie, wie sein Honda Accord herausfuhr. Freddy arbeitete, wie sie wusste, bei H&R Block. Die Firma lag in der gleichen langen Einkaufsstraße wie die Videothek, bei der sie ihre DVDs auslieh. Sein Schreibtisch stand dicht am Fenster. Sie vermied es, daran vorbeizugehen, aber an manchen Tagen blickte sie hinüber, wenn sie geparkt hatte, und sah dann Freddy, den Stift an den Lippen, in Gedanken versunken aus dem Fenster starren.
    Charlaine griff sich das Branchenbuch und wählte die Nummer. Ein Mann, der sich als der Geschäftsführer ausgab, sagte ihr, dass Mr. Sykes noch nicht da sei, jedoch jeden Moment erwartet werde. Charlaine spielte die Verblüffte. »Er hat mir gesagt, ich könnte ihn um diese Zeit erreichen. Kommt er denn nicht normalerweise um elf?«
    Der Geschäftsführer gab zu, dass dem so sei.
    »Und wo ist er jetzt? Ich brauche diese Zahlen. Dringend.«
    Der Geschäftsführer entschuldigte sich und versicherte ihr, Mr. Sykes würde sie umgehend anrufen, sobald er in die Firma komme. Sie legte auf.
    Was nun?
    Da war was faul.
    Na und? Wer war schon Freddy Sykes? Ein Niemand. Eigentlich weniger als ein Niemand. Er war die ständige Erinnerung an ihre Schwächen. Er war ein Symptom dafür, wie erbärmlich sie geworden war. Sie schuldete ihm nichts. Und vor allem, nur mal angenommen, man erwischte sie? Angenommen die Wahrheit kam ans Licht?
    Charlaine sah zu Freddys Haus hinüber. Was, wenn die Wahrheit ans Licht kam?
    Seltsamerweise kümmerte sie das kaum noch.
    Sie griff nach ihrem Mantel und lief zu Freddys Haus hinüber.

11
    Eric Wu hatte die Frau in der Reizwäsche hinter dem Fenster gesehen.
    Wu hatte eine lange Nacht hinter sich. Mit Komplikationen hatte er nicht gerechnet. Der vierschrötige Ringertyp – seine Brieftasche wies ihn als Rocky Conwell aus – war zwar keine ernsthafte Bedrohung gewesen, doch dafür hatte Wu jetzt eine Leiche und ein überzähliges Auto an der Backe, die er beide verschwinden lassen musste. Das bedeutete einen Extra-Trip zurück zum Central Valley, New York.
    Doch eins nach dem anderen. Er verstaute Rocky Conwell im Kofferraum seines Toyota Celica. Dann verfrachtete er Jack Lawson, den er ursprünglich in den Kofferraum des Honda Accord gezwängt hatte, hinten in den Ford Windstar.
    Sobald er seine Opfer verstaut hatte, wechselte Wu die Autokennzeichen
aus, ließ die Maut-Dauerkarte verschwinden und fuhr den Ford Windstar zurück nach Ho-Ho-Kus. Er stellte den Minivan in Freddy Sykes’ Garage ab. Danach blieb ihm noch genügend Zeit, den Bus zurück ins Central Valley zu schaffen. Wu durchsuchte Conwells Auto. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle Spuren beseitigt waren, fuhr er den Toyota auf den Parkplatz an der Bushaltestelle an der Route 17. Er fand eine abgelegene Parklücke am Zaun. Ein Wagen, der Tage, ja sogar Wochen dort parkte, würde keinerlei Verdacht erregen. Letztendlich würde das der Gestank besorgen, doch das dauerte.
    Der Parkplatz an der Bushaltestelle war lediglich drei Meilen von Sykes’ Haus in Ho-Ho-Kus entfernt. Wu ging zu Fuß zurück. Früh am nächsten Morgen stand er auf und nahm den Bus ins Central Valley. Dort holte er Sykes’ Honda Accord

Weitere Kostenlose Bücher