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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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ab. Auf der Rückfahrt machte er einen kurzen Umweg am Wohnhaus der Lawsons vorbei.
    In der Auffahrt stand ein Streifenwagen der Polizei.
    Wu überlegte. Das beunruhigte ihn zwar nicht, aber es schien ihm ratsam, das Interesse der Polizei sofort im Keim zu ersticken. Er wusste auch schon, wie.
    Wu fuhr zu Freddys Haus zurück und schaltete den Fernseher ein. Wu liebte die Tagesprogramme. Er genoss Sendungen wie Springer und Ricki Lake. Die meisten Leute hatten nur Verachtung dafür übrig. Wu nicht. Nur eine wirklich große Nation, eine freie Nation, konnte es sich leisten, diesen Blödsinn in den Äther zu senden. Davon abgesehen war Dummheit Wus Glück. Menschen waren wie Schafe. Je mehr Schwächen sie haben, desto stärker bist du. Was gab es Tröstlicheres oder Unterhaltsameres?
    Während einer Werbepause – das Thema der Talkshow lautete der mitlaufenden Nachrichtenzeile am unteren Bildrand zufolge »Mami ist dagegen, dass ich mir einen Ring durch die Brustwarze ziehen lasse!« – stand Wu auf. Es war Zeit, sich um das Polizei-Problem zu kümmern.

    Wu sah keine Notwendigkeit, Jack Lawson weiter physisch zu foltern. Bei ihm genügte schon der Satz: »Ich weiß, dass Sie zwei Kinder haben.«
    Lawson kooperierte umgehend. Er rief seine Frau auf dem Handy an und sagte ihr, er brauche etwas Abstand.
    Um zehn Uhr fünfundvierzig – während Wu zusah, wie eine Mutter und eine Tochter vor johlendem Publikum einen Ringkampf auf die Bretter legten – erreichte ihn der Anruf eines ehemaligen Mithäftlings.
    »Alles okay?«
    Wu bejahte das.
    Er fuhr den Honda Accord aus der Garage. Dabei entdeckte er die Frau aus dem Nachbarhaus hinter dem Fenster. Sie trug Reizwäsche. Wu hätte kaum einen Gedanken an die Szene verschwendet  – eine Frau um zehn Uhr morgens noch immer mehr als leicht geschürzt –, doch die Art, wie sie sich plötzlich weggeduckt hatte ….
    Sicher, es hätte eine natürliche Reaktion sein können. Eine Frau läuft in ihrer Reizwäsche herum, vergisst, die Jalousien herunterzulassen, und entdeckt plötzlich einen fremden Mann. Viele, wenn nicht die meisten, hätten sich sofort versteckt oder sich bedeckt. Hatte also nicht unbedingt etwas zu bedeuten.
    Doch die Frau hatte blitzartig, beinahe panisch reagiert. Mehr noch. Als der Wagen aus der Garage gefahren war, war sie zunächst stehen geblieben – hatte erst reagiert, als sie Wu erblickt hatte. Wenn sie Angst vor neugierigen Blicken gehabt hätte, wäre es da nicht naheliegender gewesen, sich sofort zu ducken oder die Jalousien herunterzulassen, als sie den Wagen gehört oder gesehen hatte?
    Den ganzen Tag schon ging ihm das im Kopf herum.
    Er griff nach seinem Handy und drückte auf die Taste, mit der er die Nummer des letzten Anrufers wählte.
    »Probleme?«, fragte eine Stimme.

    »Ich glaube nicht.« Wu wendete den Wagen und fuhr zu Sykes’ Haus zurück. »Aber ich verspäte mich vielleicht.«

12
    Grace scheute diesen Anruf.
    Sie war noch in New York City. Es war gesetzlich verboten, während des Autofahrens mit dem Handy zu telefonieren, es sei denn man hatte eine Freisprechanlage, aber das war nicht der Grund ihres Zögerns. Eine Hand am Steuer, tastete sie mit der anderen über den Boden des Wagens und bekam das Headset zu fassen. Irgendwie gelang es ihr, das Kabel zu entwirren und ins Handy zu stecken.
    Und das sollte sicherer sein, als mit dem Handy selbst zu telefonieren?
    Sie schaltete das Handy ein. Obwohl Grace den Teilnehmer seit Jahren nicht angerufen hatte, war die Nummer noch immer eingespeichert. Für den Notfall, vermutete sie. So wie jetzt.
    Schon beim ersten Klingelton wurde abgenommen.
    »Ja?«
    Kein Name. Kein Hallo. Keine Firmenbezeichnung.
    »Hier spricht Grace Lawson.«
    »Bleiben Sie dran.«
    Sie musste nicht lange warten. Zuerst hörte Grace ein sphärisches Rauschen, dann: »Grace?«
    »Hallo, Mr. Vespa.«
    »Bitte sagen Sie Carl zu mir.«
    »Also gut. Hallo, Carl.«
    »Sie haben meine Nachricht erhalten?«, fragte er.
    »Ja.« Sie verschwieg Carl Vespa, dass das nicht der Grund ihres Anrufs war. Die Rückkoppelung in der Leitung war deutlich zu hören. »Wo sind Sie?«

    »In meinem Jet. Wir sind ungefähr eine Stunde vor Stewart.«
    Stewart war ein Luftwaffenstützpunkt eineinhalb Stunden von ihrem Zuhause entfernt.
    Schweigen.
    »Stimmt was nicht, Grace?«
    »Sie haben gesagt, ich könnte jederzeit anrufen, falls ich mal was brauche.«
    »Und das ist jetzt, nach fünfzehn Jahren, der Fall?«
    »Ich glaube

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