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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Eine Zeit lang
hatte eine Nachbarin, eine pingelige Ziege mit dem passenden Namen Missy, versucht, eine Unterschriftensammlung anzuregen, um Cora zu zwingen, ihr Haus umzustreichen. Grace hatte beobachtet, wie Pingel-Missy die Unterschriftenliste bei einem Fußballspiel der Ersten Klasse herumgereicht hatte. Grace hatte sie sich gegriffen, sie zerrissen und sich dann davon gemacht.
    Die Farbe von Coras Haus entsprach zwar kaum Graces Geschmack, doch sie fand, jeder sollte über seinen eigenen Schatten springen können.
    Cora stöckelte auf hohen Pfennigabsätzen auf sie zu. Sie war etwas züchtiger gekleidet – Sweatshirt über der Leopardenbluse –, doch das half nicht viel. Einige Frauen verströmten noch in Sackleinen Sexappeal. Cora gehörte dazu. Bei jeder Bewegung ihres Körpers bildeten sich neue Formen, während andere verschwanden. Jedes Wort, wie harmlos es auch sein mochte, gewann in ihrer rauchigen Stimme eine gewisse Zweideutigkeit. Jede Bewegung des Kopfes wirkte wie ein Lockruf.
    Cora glitt auf den Beifahrersitz und sah über die Schulter zurück zu Max. »Hey, Sonnenschein.«
    Max brummte etwas Unverständliches, ohne den Kopf zu heben.
    »Genau wie mein Ex.« Cora wandte sich wieder in Fahrtrichtung. »Hast du das Foto?«
    »Ja.«
    »Ich habe Gus angerufen. Er macht’s.«
    »Hast du ihm was versprochen? Als Gegenleistung, meine ich?«
    »Wie wär’s mit einem flotten Dreier? Hast du Samstagabend schon was vor?«
    Grace sah sie an.
    »War nur ein Witz.«
    »Dachte ich mir.«
    »Prima. Gus bittet dich, das Foto einzuscannen und ihm zu mailen. Er kann eine anonyme E-Mail-Adresse für die Antworten einrichten.
Auf diese Weise weiß niemand, wer dahinter steckt. Den Text halten wir knapp, behaupten, ein Journalist müsse für eine Story wissen, wie das Foto zustande kam. Klingt das gut?«
    »Ja, danke.«
    Sie hatten Graces Haus erreicht. Max stapfte in den ersten Stock hinauf und rief zu ihnen herunter: »Kann ich SpongeBob sehen?«
    Grace erlaubte es resigniert. Wie alle Eltern hatte Grace strikte Regeln aufgestellt. Kein Fernsehen tagsüber. Wie alle Eltern wusste sie, dass Regeln dazu da waren, gebrochen zu werden. Cora lief geradewegs zum Küchenschrank und kochte Kaffee. Grace überlegte, welches Foto sie verschicken sollte, und entschied sich für eine Vergrößerung der rechten Bildhälfte, auf der die Blondine mit dem X über dem Gesicht und die Rothaarige zu ihrer Linken zu sehen waren. Jacks Konterfei – sie nahm weiterhin an, dass es Jack war – ließ sie aus dem Spiel. Sie wollte ihn nicht hineinziehen. Sie glaubte, mit nur zwei Personen auf dem Foto die Wahrscheinlichkeit von Antworten auf ihre Anfrage zu erhöhen. Niemand würde annehmen, die Umfrage sei nur ein Trick eines irren Stalkers.
    Cora betrachtete das Original des Fotos. »Darf ich mal was dazu sagen?«
    »Bitte.«
    »Ich finde, das sieht ziemlich gruselig aus.«
    »Der Typ dort drüben«, Grace deutete mit dem Finger darauf, »der mit dem Bart. An wen erinnert der dich?«
    Cora kniff die Augen zusammen. »Finde, das könnte Jack sein.«
    »Könnte nur sein oder ist er es wirklich?«
    »Musst du doch wissen.«
    »Jack ist verschwunden.«
    »Sag das noch mal!«
    Grace erzählte Cora die ganze Geschichte. Cora hörte zu, trommelte mit ihren überlangen, mit Rouge Noir von Chanel lackierten Fingernägeln, das an die Farbe von Blut erinnerte, auf
den Küchentisch. Als Grace fertig war, sagte Cora: »Dir ist schon klar, dass ich von Männern sowieso nicht viel halte.«
    »Ja, weiß ich.«
    »Die Mehrheit von ihnen ist meiner Meinung nach keinen Pfifferling wert.«
    »Auch das ist mir bekannt.«
    »Die logische Antwort kann also nur sein, dass das auf dem Bild hier Jack ist. Und weiter, dass dieses Blondchen, das hier zu ihm aufblickt, als sei er der Messias, eine alte Flamme von ihm sein muss – dass Jack und diese Maria Magdalena hier eine Affäre haben – dass irgendjemand, vielleicht ihr jetziger Ehemann, dir das Foto geschickt hat, um dir die Augen zu öffnen – und dass die Bombe zu ticken angefangen hat, als Jack klar wurde, dass du ihm auf die Schliche kommen musst.«
    »Und deshalb ist er abgehauen?«
    »Du sagst es.«
    »Das ergibt keinen Sinn, Cora.«
    »Hast du eine bessere Theorie?«
    »Ich arbeite daran.«
    »Gut«, sagte Cora. »Ich glaub’s nämlich auch nicht. Wollte nur meinen Senf dazugeben. Männer sind Abschaum. Die Ausnahme bestätigt die Regel. Jack schien mir immer diese Ausnahme zu

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